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Interview„Ein männlicher Auszubildender bereichert die Zahnarztpraxis!“

15.12.2025105 Min. Lesedauer

| Laut statistischem Jahrbuch 24/25 der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) waren im Jahr 2024 insgesamt 32.076 Auszubildende im ersten, zweiten oder dritten Lehrjahr in deutschen Zahnarztpraxen aktiv. 1.500 davon sind Männer – 4,7 Prozent. Zwar hat sich die Zahl seit 2017 verdreifacht, damals waren es 522 männliche Azubis, dennoch findet man sie selten in deutschen Zahnarztpraxen. Dr. med. dent. Jörg Lips, Inhaber einer Praxis für Oralchirurgie in Fürstenwalde, berichtete ZP im Jahr 2021, wie es ist, einen männlichen ZFA auszubilden; aus Anlass der neuen Zahlen der BZÄK veröffentlichen wir das damalige Interview jetzt noch einmal. |

Bewerben_413099-cs.jpg (Bild: ©Gerd Altmann - pixabay.com)
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Bild: ©Gerd Altmann - pixabay.com

Frage: Ihr männlicher Azubi ist bereits im dritten Jahr bei Ihnen. Warum haben Sie ihn eingestellt?

Antwort: Auch ich hatte bis dahin nur junge Frauen ausgebildet. Romeo habe ich praktisch aus der Not eingestellt, weil es keine besseren Bewerberinnen gab. Schon aus seiner Bewerbung ging hervor, dass er ein sehr netter, offener und höflicher Typ ist.

Frage: Ihr ZFA-Azubi hat sich also bei Ihnen beworben?

Antwort: Ja, zu diesem Zeitpunkt suchte ich allerdings keinen Auszubildenden. Dennoch habe ich ihm ein Praktikum angeboten, damit er sich nicht zu Hause langweilt. Er kam an drei Tagen pro Woche. Daraus wurde ein Ausbildungsvertrag. Ich bilde immer aus. Denn wenn wir nicht ausbilden, dürfen wir uns nicht über fehlende Fachangestellte beklagen. Inzwischen spielt der Zaunpfahl für mich keine Rolle mehr. Die Welt ist heute eine andere.

Frage: Ein Mann in einer Frauendomäne kann als Bereicherung empfunden werden. Wie ist das für Ihr Praxisteam?

Antwort: Alle haben Romeo gleich ins Herz geschlossen. Ihm wurde viel gezeigt, er wurde mit wohlwollender Strenge geführt. Das war gut fürs Team, das hat man richtig gemerkt. Weil er Hahn im Korb war, hatte er es anfangs vielleicht sogar einfacher als weibliche Auszubildende. Allerdings ist er außer mir nicht der einzige Mann in der Praxis. Zahnärzte beschäftige ich schon lange.

Frage: Ist es anders, einen Mann als Assistenten am Stuhl zu haben?

Antwort: Da gibt es keinen Unterschied. Ich würde auch nicht sagen, dass es typisch weibliche oder männliche Eigenschaften gibt, die man sich gegenseitig abschauen kann. Alle haben ihre Stärken und Schwächen, ganz individuell. Während einer OP brauche ich eine Assistenz, die mit mir zusammenarbeitet und mich stärkt. Assistieren kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „beistehen“, nicht „danebenstehen“. Bei manchen meiner ZFA habe ich das Gefühl, dass ich mich auf die Couch setzen könnte. Das kann man von einem Auszubildenden natürlich nicht erwarten. Doch das Geschlecht spielt keine Rolle.

Frage: In den Köpfen sind noch andere geschlechtsspezifische Klischees. Dazu gehört, dass ein männlicher ZFA später Zahnmedizin studieren möchte.

Antwort: Bevor ich Romeo eingestellt hatte, kannte ich nur einen anderen männlichen ZFA. Der wollte tatsächlich mit der Ausbildung seinen Bonus für das Zahnmedizinstudium aufwerten. Doch das tun auch Frauen. Ich hatte selbst schon eine Auszubildende mit einem Abiturdurchschnitt von 1,8. Sie hatte nach zwei Jahren ausgelernt und ging nach Greifswald zum Studium. Währenddessen habe ich sie mit einem Stipendium unterstützt. Seit dem vergangenen Januar ist sie als Zahnärztin hier in der Praxis.

Frage: Wie trennen Sie die Umkleideräume voneinander?

Antwort: Darauf waren wir bei Romeos Einstellung nicht vorbereitet. In den separaten Umkleideraum der Frauen darf er natürlich nicht rein. Unsere Praxismanagerin hat mich dann unterstützt. Nun hat er ein Fach im Raum der angestellten Zahnärzte. Die freuen sich, dass sie mit jemandem über Fußball reden können. Auch dort ist der Auszubildende eine Bereicherung.

Frage: Wie reagieren die Patienten? Gibt es Verwechselungen mit den Fachzahnärzten für Oralchirurgie?

Antwort: Das kommt vor. Ich hätte gedacht, dass das nicht passiert, da Romeo noch sehr jung ist. Diese Verwechselungen liegen wohl an den Zaunpfählen in den Köpfen. Dumme Bemerkungen fallen nicht. Das mag in einer Großstadt wie Berlin anders sein. Doch hier in Fürstenwalde haben wir eine sehr nette Landbevölkerung.

Frage: Sie engagieren sich sowohl in der LZKB als auch in der KZV des Landes Brandenburg. Öffnen sich Ihre Kollegen ebenfalls für männliche ZFA?

Antwort: Ich glaube schon. Das Wichtigste ist, einen guten Azubi zu finden. Ausreichende Schulbildung ist der limitierende Faktor, nicht das Geschlecht. Im Vorstellungsgespräch bitte ich darum, 10 Prozent von 1.000 zu bilden. Wenn mir daraufhin jemand antwortet „Mathe ist nicht meine Stärke“, dann geht das nicht. Auch deutsche Rechtschreibung muss sein. 2003 hatte ich 40 Bewerbungen, davon ein Dutzend Abiturientinnen. Zwar brauchen wir in den Praxen keine Abiturienten. Doch es muss darüber nachgedacht werden, wie die Schulen sich besser um jeden Einzelnen kümmern können. Die jungen Menschen werden nicht gut auf die Ausbildung vorbereitet.

Herr Dr. Lips, vielen Dank für das Gespräch!

AUSGABE: ZP 3/2021, S. 9 · ID: 47093638

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