GebührenrechtBGH klärt Fragen zur Analogabrechnung einer selbstständigen Leistung nach GOÄ
| Findet sich in der GOÄ keine passende Gebührenposition für eine erbrachte Leistung, so besteht die Möglichkeit einer Analogabrechnung. Häufig ist die Berechtigung des Ansatzes solcher Analogpositionen heftig umstritten. Eine jüngere Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) betont erneut, dass lediglich „selbstständige Leistungen“ analogiefähig sind und bestätigt die restriktive Grundhaltung der Rechtsprechung. In diesem Beitrag erfahren Sie, auf welche Aspekte der BGH besonderes Augenmerk gelegt hat und was das für ähnliche Konstellationen einer Analogabrechnung bedeutet. |
Inhaltsverzeichnis
Analogabrechnung der GOÄ
Die „aktuelle“ GOÄ trat 1983 in Kraft, das dazugehörige Gebührenverzeichnis wurde letztmals 1996 (!) überarbeitet. Es ist offensichtlich, dass eine dermaßen veraltete Gebührenordnung bei Weitem schon längst nicht mehr alle gängigen Behandlungsleistungen umfasst und die medizinische Entwicklung der letzten Jahrzehnte nicht abbilden kann. Zunehmende Bedeutung gewinnt daher die Möglichkeit der Analogabrechnung nach § 6 Abs. 2 GOÄ (siehe „So funktioniert die korrekte Analogabrechnung bei Privatpatienten“ in AAA 11/2019, Seite 8).
§ 6 Abs. 2 GOÄ |
„Selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, können entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden.“ |
Die Neubewertung einer Leistung durch Analogie ist also nur möglich, wenn es sich um eine selbstständige ärztliche Leistung handelt. Hierzu regelt § 4 Abs. 2a GOÄ ausdrücklich, dass eine Gebühr nicht berechnet werden kann für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, wenn die Ärztin oder der Arzt für diese andere Leistung bereits eine Gebühr berechnet hat.
Der konkrete Fall
In dem jüngst vom BGH entschiedenen Fall ging es um die analoge Abrechnung bei Einsatz eines Femtosekundenlasers im Zusammenhang mit Katarakt-Operationen. Solche Laser werden seit 2001 in der Augenheilkunde eingesetzt (d. h., nach der letztmaligen Überarbeitung der GOÄ im Jahr 1996). Gleichzeitig schließt der BGH eine gesonderte Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers durch die Analogabrechnung der Nr. 5855 GOÄ aus. Grund: Der BGH sieht in dem Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen einer Katarakt-Operation keine selbstständige ärztliche Leistung im Sinne der GOÄ (BGH, Urteil vom 14.10.2021, Az. III ZR 350/20).
Die Frage nach einer selbstständigen Leistung
Es stellt sich die Frage, ob und wann von einer selbstständigen ärztlichen Leistung auszugehen ist, für die eine Analogabrechnung geprüft werden kann. Diese Frage wird in der Rechtsprechung seit vielen Jahren danach beurteilt, ob für die Leistung eine eigenständige medizinische Indikation besteht. Als Indiz gilt zudem auch ein eigenständiger Therapiezweck. Im verhandelten Fall stellte der BGH fest, dass der Lasereinsatz auch deshalb keinen selbstständigen operativen Eingriff begründet, weil es ihm an einem eigenständigen Therapiezweck fehle. Unabhängig davon, ob der Femtosekundenlaser im Rahmen einer Katarakt-Operation zum Einsatz komme, bleibe der Therapiezweck der Operation identisch. Die fragliche Leistung wird zwar als besondere, aber dennoch unselbstständige Ausführungsart der „Hauptleistung“ angesehen.
An einer selbstständigen Leistung fehlt es auch dann, wenn hierfür keine eigenständige, von der Hauptleistung zu trennende, medizinische Indikation besteht. Schon früher hatte der BGH entschieden, dass die „bloße Optimierung“ einer bereits in die GOÄ aufgenommenen Zielleistung nicht geeignet sei, eine selbstständige ärztliche Leistung zu begründen.
Merke | Allerdings hebt der BGH mit Bezug auf das im Verfahren vorgerückte Alter des Patienten (79 Jahre) ausdrücklich hervor, dass der Kläger im Verfahren nichts dazu vorgetragen habe, dass aufgrund seines Alters ein von der Standardmethode abweichendes ärztliches Vorgehen medizinisch geboten gewesen sei. Hier zeigt sich, wie wichtig das Kriterium der medizinischen Indikation ggf. für die Beurteilung der Selbstständigkeit einer Leistung sein kann. Besteht eine medizinische Indikation dahingehend, den Therapiezweck ausschließlich durch die fragliche Leistung zu erbringen, spricht dies für die Selbstständigkeit einer solchen Leistung. |
Gebührenrahmen ausschöpfen als Alternative
Das Gericht diskutiert schließlich auch, ob die Honorierung der Operation selbst bei Ausschöpfen des Gebührenrahmens nicht auskömmlich wäre. Wäre sie nicht auskömmlich, so kann dies ein Hilfsargument dafür sein, eine Analogabrechnung insoweit für zwingend zu halten. Hier meint der BGH, dass bei komplizierten Katarakt-Operationen, deren Durchführung durch den Einsatz des Lasers erleichtert werde, der Gebührenrahmen ausgeschöpft, also vom 2,3-fachen auf den 3,5-fachen Gebührensatz gesteigert werden könne. Die Steigerung des GOÄ-Faktors kann also auch bei Besonderheiten vorgenommen werden, die auf eine neue Behandlungsmethode und Entwicklungen der medizinischen Wissenschaft zurückgehen (so schon BGH-Urteil vom 13.05.2004, Az. III ZR 344/03). Wird der Gebührenrahmen in diesem Sinne ausgeschöpft, so kann laut BGH das Arzthonorar auch ohne die zusätzlich geltend gemachte analoge Abrechnung auskömmlich sein.
Fazit | Die Analogabrechnung bedarf einer „selbstständigen Leistung“ im Sinne der GOÄ. Dazu darf es sich nicht nur um eine (unselbstständige) Teilleistung einer Leistung handeln, die in der GOÄ bereits erfasst ist. Eine „selbstständige Leistung“ in diesem Sinne lässt sich im Einzelfall durch einen eigenständigen Therapiezweck oder eine eigenständige medizinische Indikation belegen. Für den „Abrechnungsalltag“ dient das „Verzeichnis der Analogen Bewertungen“ der Bundesärztekammer als Orientierung (iww.de/s5932). In Zweifelsfällen bei der Anwendung neuer Methoden kann eine gut begründete medizinische Indikation hilfreich sein. Bei unselbstständigen Leistungen ist ggf. die Steigerung des Faktors angezeigt. |
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