Nachhaltige TransformationAcht Archetypen nachhaltiger Geschäftsmodelle als Wegweiser für Ihre erfolgreiche Strategie
| Nachhaltiges Wirtschaften ist für Unternehmen unverzichtbar, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Sebastian Jansen stellt in diesem Beitrag die acht Archetypen nachhaltiger Geschäftsmodelle vor. Sie liefern eine praxisnahe Blaupause, wie Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg durch innovative Strategien und neue Wertschöpfungsansätze vereint werden können. |
1. Zum Konzept der Nachhaltigkeitsmodelle
Nachhaltiges Wirtschaften ist der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Durch steigende regulatorische Anforderungen und veränderte Kundenerwartungen wächst der wirtschaftliche Veränderungsdruck und stellt Unternehmen vor die Herausforderung, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Gleichzeitig bietet Nachhaltigkeit die strategische Chance, neue Wettbewerbsvorteile zu sichern und langfristige Resilienz aufzubauen.
Merke | Das Konzept der Sustainable Business Model Archetypes wurde von einem Forschungsteam der Universität Cambridge entwickelt, um ein gemeinsames Verständnis für nachhaltigkeitsorientierte Geschäftsmodelle zu schaffen. |
Um Nachhaltigkeit in unternehmerische Kernprozesse zu integrieren, dienen die acht definierten Archetypen als Bezugsrahmen. Sie helfen sowohl bei der Verbesserung einzelner Prozesse in der Wertschöpfungskette als auch bei der umfassenden Weiterentwicklung von Produktportfolio und Geschäftsmodell.
2. Acht Archetypen für die Nachhaltigkeitspraxis in KMU
Im Folgenden werden die Archetypen in Kurzprofilen vorgestellt, ergänzt durch Praxisbeispiele und Impulse für die praktische Umsetzung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
2.1 Energieeffiziente Ressourcenschoner
Energieeffiziente Ressourcenschoner minimieren den Einsatz von Ressourcen und Energie durch innovative Technologien und optimierte Prozesse. So können Emissionen gesenkt, Abfälle vermieden und Umweltbelastung verringert werden. Der Fokus liegt auf einer Produktionsweise, die sowohl ökologischen als auch ökonomischen Anforderungen gerecht wird.
Beispiel |
Interface, ein Hersteller von Bodenbelägen, verwendet Ökostrom, setzt geschlossene Wasserkreisläufe ein und recycelt Produktionsabfälle, um den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Mit diesen Maßnahmen verringert das Unternehmen nicht nur die Umweltbelastung in der Produktion, sondern senkt auch die Produktionskosten. |
Es ergeben sich folgende wirtschaftliche Vorteile:
Merke | Um Ressourcen in der Produktion effektiv einzusparen, muss Ressourcenschonung als Kriterium in die gesamte Wertschöpfungskette integriert werden. Eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten und die Einführung innovativer Fertigungstechnologien sind entscheidend, um Effizienzgewinne zu erreichen. Die Umstellung auf nachhaltige Technologien stärkt mittel- und langfristig die Wirtschaftlichkeit, z. B. durch geringere Materialkosten oder Energieeinsparungen. |
- Reduzierte Kosten durch effizienteren Einsatz von Energie und Materialien
- Wettbewerbsvorteile durch Einhaltung von Umweltauflagen und Verbesserung der Markenreputation
- Potenzielle Gewinnsteigerung durch geringeren Ressourceneinsatz
2.2 Resteverwerter
Resteverwerter richten ihre gesamte Wertschöpfungskette und Produktion konsequent darauf aus, zweckentfremdete oder bereits verwendete Materialien als Ressource zu nutzen. Ziel ist es, den Begriff „Abfall“ gänzlich aus der Wertschöpfung zu tilgen und alle Prozesse auf die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft auszurichten.
Beispiel |
Das Schweizer Unternehmen „Freitag“ produziert Taschen und Rucksäcke aus recycelten gebrauchten Lkw-Planen. Durch dieses Upselling-Modell schließt das Unternehmen Materialkreisläufe und positioniert sich mit einem klaren nachhaltigen Markenprofil. |
Es ergeben sich folgende wirtschaftliche Vorteile:
Merke | Resteverwerter entwickeln Geschäftsmodelle, die Materialkreisläufe schließen und Umweltbelastungen reduzieren. Die Nutzung recycelter Materialien sichert langfristige Resilienz gegenüber schwankenden Rohstoffpreisen und zunehmenden regulatorischen Anforderungen. Um Abfallströme gezielt zu erfassen und wiederverwendbar zu machen, ist die enge Zusammenarbeit mit Recyclingunternehmen entscheidend. |
- Upselling-Geschäftsmodell durch die Herstellung von Produkten mit hohem Marktwert aus vermeintlichen AbfallmaterialienUpselling-Modell führt zu niedrigeren Entsorgungskosten
- Reduktion von Materialkosten durch die Wiederverwendung vorhandener Ressourcen
- Senkung von Abfallgebühren und Entsorgungskosten
2.3 Naturproduktenutzer
Naturproduktenutzer setzen erneuerbare Ressourcen und natürliche Prozesse ein, um umweltfreundliche Produkte oder Systeme zu schaffen. Sie nutzen die Prinzipien der Natur, um fossile und nicht-erneuerbare Ressourcen zu ersetzen und ressourcenschonendere Produktionsmethoden zu gestalten.
Beispiel |
„Gruber Folien“ entwickelt innovative Verpackungslösungen aus Kraftpapier als Alternative zu herkömmlichen Plastikverpackungen. Diese Produkte basieren auf ökologischen Rohstoffen, die biologisch abbaubar sind und somit eine umweltfreundlichere Verpackungslösung bieten. |
Es ergeben sich folgende wirtschaftliche Vorteile:
Merke | Partnerschaften mit Lieferanten nachhaltiger Rohstoffe und der Einsatz innovativer Fertigungstechnologien bilden die Grundlage, um erneuerbare Ressourcen in Produktionsprozesse zu integrieren und diese in ausreichender Menge bereitzustellen. Die Unabhängigkeit von fossilen Ressourcen sichert langfristig eine stabile Kostenstruktur und erhöht die Resilienz gegenüber schwankenden Rohstoffpreisen. |
- Wettbewerbsvorteile durch die Nutzung umweltfreundlicher Produkte
- Erschließung neuer Märkte und Zielgruppen, die Wert auf nachhaltige Lösungen legen
- Reduzierte Kosten bei der Einhaltung von Umweltauflagen durch den Einsatz erneuerbarer Ressourcen
2.4 Leihmodellanbieter
Leihmodellanbieter wandeln klassische Verkaufsmodelle in Dienstleistungsmodelle um. Kunden leasen oder leihen Produkte und dazugehörige Dienstleistungen, anstatt sie zu kaufen. Dies senkt den Ressourcenverbrauch und maximiert die Nutzungseffizienz.
Beispiel |
Auch tageweise können Produkte gemietet werden |
Es ergeben sich folgende wirtschaftliche Vorteile:
Merke | Die Umstellung auf Leihmodelle verlangt eine angepasste Wertschöpfungskette mit modularen, leicht reparierbaren Produkten, die lange nutzbar sind. Die Logistik muss so optimiert werden, dass Rückgaben und Reparaturen problemlos möglich sind. Eine transparente Kommunikation ist entscheidend, um Bestands- und Neukunden vom Wechsel von Besitz- zu Nutzungsmodellen zu überzeugen, indem sie die ökologischen und idealerweise finanziellen Vorteile des Leihmodells hervorhebt. |
- Erschließung neuer Märkte, insbesondere bei Kunden, die sich hochpreisige Produkte nicht leisten können oder sie nur kurzzeitig benötigen
- Reduzierter Materialeinsatz, da Produkte im Leihmodell kontinuierlich vermietet werden können
- Stärkere Kundenbindung durch flexible Nutzungsmöglichkeiten
2.5 Lebensstiltransformierer
Lebensstiltransformierer entwickeln Produkte, die nachhaltige Konsummuster fördern. Sie setzen auf ökologische und soziale Verantwortung in der gesamten Wertschöpfungskette, um zu positiven gesellschaftlichen Veränderungen beizutragen.
Beispiel |
Die „Rewe-Group“ eröffnete in Berlin den ersten veganen Supermarkt, der ausschließlich pflanzliche Produkte anbietet. Damit schafft sie ein klares Angebot für umweltbewusste Konsumenten, die auf eine ökologische Lebensweise achten. |
Es ergeben sich folgende wirtschaftliche Vorteile:
Kunden frühzeitig einbinden, um neue Ansätze effizient zu testen |
- Erweiterung des Marktvolumens durch Ansprache neuer Zielgruppen, die auf nachhaltige und gesunde Produkte setzen
- Aufbau einer treuen Kundschaft durch Produkte mit nachhaltigem und sozialem Mehrwert
- Premium-Preise durch ein überzeugendes Markenimage und das Angebot hochwertiger, gesundheitsfördernder Produkte
2.6 Nutzungsdaueroptimierer
Nutzungsdaueroptimierer reduzieren Ressourcenverbrauch und Abfallmengen, indem sie langlebige Produkte herstellen. Ihre Produkte sind auf eine lange Nutzung ausgelegt, leicht zu reparieren und wiederverwendbar, um Konsummuster nachhaltiger zu gestalten.
Beispiel |
„Fairphone“, ein niederländisches Unternehmen, produziert modular aufgebaute Smartphones, die leicht reparierbar sind. Kunden können Einzelteile wie Akku oder Display selbst austauschen, wodurch die Lebensdauer des Produkts erheblich verlängert wird und weniger Elektroschrott entsteht. |
Es ergeben sich folgende wirtschaftliche Vorteile:
Merke | Nutzungsdauer-Optimierer richten ihre Wertschöpfungskette auf Langlebigkeit und Wiederverwendbarkeit aus. Robuste Materialien, modulare Designs und Partnerschaften mit Reparaturfirmen sowie Bildungsangebote für Konsumenten fördern nachhaltigen Konsum und verlängern die Lebensdauer von Produkten. Pilotprojekte zu innovativen Fertigungstechnologien können erste Schritte sein, um neue Designs zu testen und Kunden stärker einzubinden. |
- Reduzierte Produktionskosten durch Wiederverwendung von Komponenten und verlängerte ProduktzyklenKomponenten werden wiederverwendet
- Premium-Preise für langlebige Produkte, die Umweltbewusstsein und Qualität verkörpern
- Aufbau von Kundenloyalität durch garantierte langfristige Nutzungsmöglichkeiten dank möglicher Reparaturen
2.7 Gesellschaftsverbesserer
Gesellschaftsverbesserer agieren zielgerichtet als transformative Kräfte für positive gesellschaftliche Veränderungen. Sie richten ihr wirtschaftliches Handeln darauf aus, soziale und ökologische Mehrwerte zu schaffen.
Beispiel |
Die „GLS Bank“ investiert ausschließlich in nachhaltige Projekte wie Erneuerbare Energien, Bildung und soziale Initiativen. Dabei verbindet sie ihre finanziellen Dienstleistungen mit einem klaren nachhaltigen Impact. |
Es ergeben sich folgende wirtschaftliche Vorteile:
Merke | Gesellschaftsverbesserer gestalten ihre gesamte Wertschöpfungskette nach sozialer und ökologischer Verantwortung. Studien belegen, dass zielgerichtete Geschäftsmodelle höhere Kundenbindung und Umsatzsteigerungen erreichen. Langfristig fördern sie Resilienz und eine stabile Basis für nachhaltiges Wachstum. Herausforderungen zwischen Wirtschaftlichkeit und gesellschaftlichem Beitrag können durch strategische Partnerschaften und innovative Finanzierungsmodelle gemeistert werden. |
- Aufbau von Vertrauen und Loyalität bei Kunden, Partnern und Gemeinschaften
- Zugang zu Nischenmärkten und neuen Zielgruppen, die auf Werte und Nachhaltigkeit setzen
- Langfristige Resilienz durch die Zusammenarbeit mit Stakeholdern mit zukunftsgerichteten Geschäftsmodellen
2.8 Handabdruckvergrößerer
Handabdruckvergrößerer entwickeln kollaborative Plattformen, die anderen Akteuren mit nachhaltigen Geschäftsmodellen zu höherer Sichtbarkeit und Wirksamkeit verhelfen. Ziel ist der Aufbau eines nachhaltig wirtschaftenden Ökosystems.
Beispiel |
„Guud card“ bietet nachhaltige Sachbezugskarten an, mit denen Mitarbeitende in ausgewählten Geschäften einkaufen können. Das Unternehmen verbindet Händler und Verbraucher in einem Netzwerk, das nachhaltigen Konsum fördert und skaliert. |
Es ergeben sich folgende wirtschaftliche Vorteile:
Merke | Handabdruck-Vergrößerer helfen anderen nachhaltig ausgerichteten Akteuren, ihren positiven Handabdruck durch wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Impact zu steigern. Bereitgestellte Plattformen ermöglichen Skalierungseffekte und finanzieren sich über Umsatzbeteiligungen oder Lizenzierungen. Herausforderungen liegen in der Koordination komplexer Partnerschaften und der Qualitätssicherung skalierter Lösungen. Governance-Strukturen und digitale Plattformen helfen, Prozesse zu überwachen und Zusammenarbeit zu erleichtern. |
- Generierung von Einnahmen durch Lizenzierung oder Franchising von nachhaltigen Lösungen
- Synergieeffekte durch Kooperationen mit Partnern, die gemeinsame Ressourcen und Netzwerke nutzen
- Erhöhte Marktpenetration und Kundengewinnung durch Skalierung bereits bewährter Modelle
3. Zur Umsetzung der Modelle in die eigene Geschäftspraxis
Die Sustainable Business Model Archetypes helfen KMU dabei, Ansatzpunkte für die eigene nachhaltige Ausrichtung zu definieren. In fünf Schritten lassen sich passende Archetypen identifizieren und in die Geschäftspraxis integrieren:
3.1 Analyse des Geschäftsmodells
Analysieren Sie Ihr bestehendes Geschäftsmodell, um zu verstehen, welche Nachhaltigkeitspotenziale bereits vorhanden sind und welcher Archetyp mit Ihren Unternehmenswerten, Zielen und Ressourcen am besten vereinbar ist.
3.2 Wertschöpfungsketten analysieren
Führen Sie eine Wertschöpfungskettenanalyse durch, um Prozesse entlang der gesamten Produktlebensdauer auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu prüfen. Hilfreich ist auch eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse, die Auswirkungen, Chancen und Risiken offenlegen.
3.3 In Strategie-Workshops Ziele setzen
Veranstalten Sie abteilungsübergreifende Workshops mit Führungskräften und Mitarbeitenden, um entlang der Archetypen geeignete Geschäftsmodelle zu erarbeiten. Methoden wie Design Thinking helfen, innovative Lösungen zu entwickeln, die strategisch zielführend und praktisch umsetzbar sind.
3.4 Pilotprojekte implementieren
Starten Sie mit klar definierten Pilotprojekten und setzen Sie diese schrittweise um. Nutzen Sie den Dialog mit Ihren Stakeholdern, um Feedback zu erhalten, bevor Sie vielversprechende Ansätze skalieren.
3.5 Kennzahlen definieren und Erfolg messen
Definieren Sie Kennzahlen, um Fortschritte zu dokumentieren und Erfolge sichtbar zu machen. Nutzen Sie neben ökologischen Kennziffern wie der Reduktion von CO2-Emissionen oder der Steigerung der Ressourceneffizienz auch wirtschaftliche Indikatoren, z. B. den Anteil nachhaltiger Produkte am Gesamtportfolio oder die inhaltliche Positionierung bei Ihren Stakeholdern.
Archetypen dienen als Blaupause für nachhaltige Geschäftsmodelle Mit einer klaren Ausrichtung und dem Mut, neue Wege zu gehen, stärken KMU ihre Resilienz gegenüber regulatorischen und marktwirtschaftlichen Herausforderungen, steigern ihre Innovationskraft und schaffen einen messbaren Mehrwert für Umwelt, Gesellschaft und die eigene Zukunftsfähigkeit. Externe Unterstützung – etwa durch erfahrene Berater oder strategische Partnerschaften – kann dabei helfen, diesen Wandel erfolgreich zu gestalten und Skalierungspotenziale optimal zu nutzen. |
Zum Autor | Sebastian Jansen ist Organisationsentwickler für Nachhaltigkeitstransformation bei der Innovationsberatung zukunft zwei. Er begleitet mittelständische Unternehmen dabei, Nachhaltigkeit als Treiber von Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit zu nutzen und nachhaltiges Handeln und Entscheiden strategisch in Unternehmen zu verankern.
Weiterführender Hinweis- N.M.P. Bocken et al.: A literature and practice review to develop sustainable business model archetypes. In: Journal of Cleaner Production 65 (2014).
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