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Feb. 2025

UnternehmensnachfolgeKaufpreisfindung: Drastische Abschläge bei fehlender nachhaltiger Aufstellung

Leseprobe10.04.20257 Min. LesedauerVon Jörgen Erichsen, Leverkusen

| Gerade kleine Betriebe unterschätzen, wie stark nachhaltige Aspekte den Kaufpreis beeinflussen können. Fehlen Informationen und/oder Maßnahmen zu diesem Thema, kann es beim Kaufpreis zu hohen Abschlägen kommen. Oft ist es nicht möglich, kurzfristig die vom potenziellen Käufer gewünschten Informationen bereitzustellen. Zudem besteht immer das Risiko, dass mögliche Käufer abspringen, was in Zeiten eines Angebotsüberschusses fatal sein kann, da es nicht immer weitere Interessenten gibt. |

1. Praxisfall: Verkauf eines Maschinenbauunternehmens

Das Beispiel eines Maschinenbauers zeigt, welche negativen Folgen fehlende Informationen und Aktivitäten bezüglich der Nachhaltigkeit bei Verkaufspreisverhandlungen haben können und wie sich der Schaden dennoch zumindest begrenzen lässt.

Im Folgenden wird nur auf den Aspekt Nachhaltigkeit und Auswirkungen auf den Kaufpreis eingegangen, nicht auf andere Sachverhalte, die im Rahmen eines Unternehmensverkaufs relevant sind. Alle Angaben zum Unternehmen, zu den Kennzahlen und den Rahmenbedingungen sind anonymisiert, entsprechen im Kern aber der Wirklichkeit im Betrieb.

Ausgangslage

Das Beispielunternehmen, ein Sondermaschinenbauer (GmbH) mit ca. 20 Beschäftigten, soll aus Altersgründen verkauft werden. Eine Familienübergabe kommt mangels Interesses der Kinder nicht in Betracht. Der Blick geht daher nach außen. Nach mehr als einem Jahr intensiver Suche hat der Inhaber schließlich zwei mögliche Interessenten gefunden, die den Betrieb gemeinsam erwerben wollen. Weitere potenzielle Käufer sind nicht vorhanden bzw. nicht gefunden worden.
Der Betrieb baut pro Jahr zehn bis zwölf Maschinen für Abnehmer vor allem aus Deutschland und der EU. Die GmbH ist u. a. auf Fertigung von Maschinen, Aggregaten und Anlagen für Kunden in den Bereichen Medizintechnik, Fließbandbau und Schweißtechnik spezialisiert und kann sich aufgrund hoher Qualitäts- und Servicestandards fast immer auch gegen preiswertere Konkurrenz durchsetzen. Viele Kunden gehören seit Jahren zum Kundenstamm. Mit dem Verkauf der Maschinen und dem Servicebereich (u. a. Wartung, Instandhaltung, Erweiterung), wurden im letzten Jahr etwa 3 Mio. EUR Umsatz und ein Gewinn von rund 410.000 EUR nach Steuern erreicht. Umsatz und Gewinn steigen seit Jahren mit Raten um etwa 5 bis 6  %. Die Herstellung der Maschinen ist energie- und rohstoffintensiv. Außerdem fällt in größeren Mengen Verschnitt und Abfall an.
Da sich die gewünschten Preise bei Kunden in der Regel vollständig durchsetzen lassen, hat man sich im Betrieb bisher nicht mit Fragen zu Kostensenkungen oder Optimierungen in den Produktionsbereichen befasst. Nachhaltigkeit spielte bisher kaum eine Rolle.

Die Verhandlungen zwischen Unternehmer und möglichen Käufern haben sich über einen längeren Zeitraum hingezogen und waren im Kern erfolgreich. Beide Seiten fanden einen mit der Ertragswertmethode ermittelten Verkaufspreis von rund 3 Mio. EUR angemessen. Voraussetzung für die Zahlung des vollen Preises war aus Sicht des Käufers allerdings der Nachweis zumindest ausgewählter Kennzahlen mit günstigen Ausprägungen zur Nachhaltigkeit. Da sich der Inhaber bisher mit dem Thema noch nicht befasst hat, gibt es hier kaum belastbare Zahlen und Analysen. Ohne weitere Informationen sind die Käufer nur bereit, einen Preis von höchstens 1,5 bis 1,7 Mio. EUR zu entrichten. Der Inhaber möchte mit dem Erlös seinen Ruhestand finanzieren. Der reduzierte Preis deckt die errechnete und notwendige Altersversorgung jedoch nicht.

2. Ausgewählte Angaben, die vom Käufer verlangt wurden

Die möglichen Käufer definieren Nachhaltigkeit insbesondere über das Thema Ökonomie und Ökologie. Spezielle soziale Inhalte werden noch nicht gewünscht. Zum Thema Ökonomie gibt es Kennzahlen, allerdings nicht so aufbereitet, wie von den Käufern gewünscht. Zum Themenkomplex Ökologie sind keine Kennziffern vorhanden. Außerdem fehlen Ansätze, wie sich Nachhaltigkeit künftig besser in den Unternehmensalltag einbinden lässt.

Die Verkäufer wünschen sich vor allem folgende Kennzahlen für die letzten drei bis vier Jahre, um eine Entwicklung besser erkennen zu können:

Kennzahlen
ÖkonomieÖkologie
  • EBIT
  • Cashflow (einfach/nur Abschreibungen)
  • Materialkosten relativ zum Umsatz und je hergestellter Maschine
  • Energiekosten relativ zum Umsatz, untergliedert in Strom, Gas, Öl, Treibstoffe, Wasser
  • Energieverbrauch je hergestellter Maschine untergliedert in Energiearten
  • Versandkosten relativ zum Umsatz und je hergestellter Maschine
  • Kfz- und Fuhrparkkosten relativ zum Umsatz und je hergestellter Maschine
  • CO2-Emissionen
  • Abfallmengen in t
  • Recycling-Quote beim Abfall
  • Anteil nachwachsender oder nachhaltig hergestellter Materialien
  • Anteil regionaler Materialien
  • Anteil regenerativer Energien
  • Emissionen, Abfallmengen usw. je hergestellter Maschine
  • Gefahrene Kilometer insgesamt und je hergestellter Maschine
  • Anteil Investitionen, bei denen Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt wurden

Aufgrund fehlender Informationen, vor allem zur Ökologie, wären die Verhandlungen beinahe gescheitert. Da die GmbH wirtschaftlich aber gut aufgestellt ist, sich die gewünschten Preise für die Maschinen fast immer durchsetzen lassen und die Ertragszahlen auch im wirtschaftlich schwierigen Umfeld stimmen, sind die Käufer weiter interessiert und wollen dem Inhaber die Möglichkeit der Nachbesserung geben.

Nach mehreren Gesprächen hat man sich darauf geeinigt, die Zahlen für die letzten drei Jahre und das Verkaufsjahr – so weit es geht – nachträglich zu erheben bzw. zu schätzen. Beiden Parteien ist klar, dass es genaue Werte so nicht geben kann.

3. Vorgehen und Umsetzung im Beispielbetrieb

Beim Bilden der ökonomischen Kenngrößen war der Arbeitsaufwand in den meisten Fällen verhältnismäßig gering, da sich Kennzahlen wie EBIT und Cashflow oder Materialanteile relativ zum Umsatz leicht aus den Abschlussunterlagen errechnen lassen.

Lediglich die Aufteilung der Energiekosten hat zusätzliche Arbeiten und Kontenanalysen erforderlich gemacht. Außerdem konnten die Kosten aufgrund fehlender Aufzeichnungen nur linear auf die hergestellten Maschinen heruntergerechnet werden, was die Aussagekraft deutlich einschränkt und keinen echten Nutzen gebracht hat. Daher wurde auf diese Arbeiten verzichtet.

Die Auswertungen zeigen u. a., dass die Kosten für Strom, Gas, Öl und Treibstoffe stark gestiegen sind; absolut und relativ. Lediglich im letzten Jahr gab es eine leichte Entspannung – auf hohem Niveau. Ein zusätzlicher Blick in das Jahr 2019 zeigt aber, dass die Energiekosten hier noch deutlich niedriger lagen. Die Tabelle zeigt die Entwicklung (Zahlen fiktiv).

Energiekosten
Jahr20242023202220212019
Umsatz

3.000.400

2.850.380

2.736.365

2.654.274

2.568.700

Energiearten
  • Strom

354.047

356.298

355.727

265.427

179.809

  • Gas

162.022

173.873

109.455

185.799

141.279

  • Öl

11.101

9.121

10.125

6.636

5.651

  • Treibstoffe

75.010

65.559

57.464

47.777

35.962

  • Wasser

6.001

5.701

5.473

5.309

4.624

Gesamtkosten absolut

608.181

610.551

538.243

510.948

367.324

Gesamtkosten relativ

20,27 %

21,42 %

19,67 %

19,25 %

14,30 %

Ein Grund für die steigenden Energiekosten ist der Preisanstieg infolge des Ukrainekriegs. Allerdings stellt sich die Frage, ob Kostensteigerungen auch durch Mengenveränderungen zustande gekommen sind. Daher wurden zusätzlich Mengenanalysen vorgenommen. Die nächste Tabelle zeigt die Ergebnisse für Strom (Zahlen fiktiv).

Mengenanalyse Strom
20242023202220212019
Stromverbrauch in kWh

537.072

518.769

494.735

472.461

449.523

Relativ zum Umsatz

17,90 %

18,20 %

18,08 %

17,80 %

17,50 %

Die Aufstellung zeigt, dass es über die Jahre leichte Steigerungen gegeben hat. Diese können auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen sein, etwa weil mehr Ausschuss produziert wurde oder weil es mehr Testläufe gegeben hat. Lassen sich diese Ursachen künftig abstellen bzw. reduzieren, können Kosten eingespart werden.

Ähnlich wurde auch bei den anderen Kostenarten vorgegangen. Beim Materialverbrauch hat es eine analoge Entwicklung gegeben, was darauf hindeutet, dass es in den betrachteten Zeiträumen mehr Ausschuss und/oder Testläufe gegeben hat. Auch daher ist eine Analyse der Kostenentwicklung grundsätzlich sinnvoll, vor allem, wenn die Möglichkeit gegeben ist, die Kosten genauer einzelnen Aggregaten zuzurechnen. Das lässt sich z. B. mit einer besseren Projektplanung inkl. Nachbetrachtung erreichen.

3.1 Ausprägungen ökologischer Kennzahlen konnten fast nur geschätzt werden

Schwieriger gestaltete sich die Ableitung bzw. Schätzung ökologischer Kenngrößen. Hier gab es im Betrieb bisher keine systematischen Auswertungen. Bei den CO2-Emissionen wurde auf im Internet verfügbare Rechner zurückgegriffen, mit denen sich die Werte zumindest näherungsweise bestimmen lassen, z. B. „IZU CO2-Rechner“ (www.iww.de/s12598), „CO2-Rechner für Unternehmen im Vergleich“ (www.iww.de/s12599).

Bezüglich der Berechnung der Abfallmengen und Recycling-Quoten wurden Rechnungen externer Dienstleister analysiert. Aussagen zu nachwachsenden Rohstoffen oder regionalen Anbietern bzw. Anbietern mit Zertifikaten waren nicht verfügbar und mussten von Lieferanten eingeholt werden, was nicht in jedem Fall möglich war. Regenerative Energien wurden laut Energieanbietern im Mittel nur zu 5 bis 10 % genutzt. Bei Investitionsentscheidungen wurden nachhaltige Aspekte bisher nicht einbezogen (Ausnahme: es wurde aus Kostengründen auf den Energieverbrauch geachtet).

3.2 Blick in die Zukunft zur Umsetzung von Verbesserungen

Die Analysen zeigen, dass der Betrieb insgesamt wirtschaftlich gut aufgestellt und weiter zukunftsfähig ist. Allerdings werden mögliche Potenziale bei Kosten und Ökologie noch nicht ausgeschöpft, obwohl das in vielen Punkten einfach möglich wäre, etwa bei der Umstellung von Energieverträgen (regenerativ) oder bei der Auswahl von Materialien, bei denen man Abfälle besser recyclen kann. Auch bei der Lieferantenauswahl ist Potenzial vorhanden und man könnte vermehrt auf Anbieter setzen, die bereits nachhaltig agieren.

Insgesamt ist das Ergebnis aus Sicht der möglichen Käufer daher nicht ganz zufriedenstellend, weil sie nach dem Erwerb selber aktiv werden und Geld u. a. in die Optimierung von Prozessen stecken müssen. Allerdings hat das Unternehmen großes Potenzial. Die beiden Käufer haben sich am Ende nach zähen Verhandlungen mit dem Verkäufer auf einen Preis von 2,65 Mio. EUR geeinigt, was beide Seiten als guten Kompromiss angesehen haben.

Fazit und Ausblick | Das Beispiel eines kleinen Maschinenbauers zeigt, dass Nachhaltigkeit auch in der Unternehmensnachfolge wichtiger wird. Mögliche Käufer legen mehr Wert vor allem auf Verbesserungen im Bereich Ökologie und teilweise auch beim Sozialen. Das müssen Verkäufer künftig stärker berücksichtigen. Ansonsten können Verkaufsgespräche scheitern oder es gibt zumindest dramatische Abschläge beim berechneten Verkaufspreis, auch wenn die sonstigen Rahmenbedingungen stimmen und der Betrieb wirtschaftlich an sich gut aufgestellt ist und stabile Gewinne abwirft.

AUSGABE: PU 2/2025, S. 63 · ID: 50348878

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