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AufwandsentschädigungLSG Hessen: Geringe Vergütungen für ehrenamtliche Tätige sind nicht beitragspflichtig
| Geringe Vergütungen für ehrenamtlich Tätige sind bloße Aufwandsentschädigung und kein Arbeitsentgelt. Daher sind sie nicht sozialversicherungspflichtig, so das LSG Hessen. Es bleibt zwar dabei, dass jede Tätigkeit einzeln zu beurteilen ist. Jedoch hat das LSG zugunsten des Ehrenamts Orientierungshilfen formuliert, die für mehr Rechtssicherheit sorgen. |
Streit um ehrenamtliche Tätigkeit im Museum
Die Klägerin ist ein gemeinnütziger Verein, der ein Museum betreibt. Der Verein zahlte mehreren Personen, die abwechselnd im Bereich des Einlasses und der Kasse tätig waren, eine als Aufwandsentschädigung bezeichnete Zuwendung in Höhe von fünf Euro pro Stunde. Die Zeiten ihrer Tätigkeit stimmten die betroffenen Personen untereinander ab. Die Tätigkeit der Personen hatte ihre Grundlage in einer mündlichen Vereinbarung und war unstreitig als ehrenamtliche Tätigkeit vorgesehen.
Die DRV bewertete die über der jährlichen Ehrenamtspauschale von 720 Euro gezahlten Beträge als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt.
LSG Hessen verneint Beitragspflicht
Das LSG Hessen verneinte ebenso wie die Vorinstanz die Beitragspflicht (LSG Hessen, Urteil vom 23.01.2025, Az. L 1 BA 64/23, Abruf-Nr. 246866).
Was an dem Fall so besonders ist
Die Besonderheit des Falls liegt aus Sicht des LSG darin, dass die hier zu beurteilenden Tätigkeiten nicht Ausfluss mitgliedschaftlicher Vereinspflichten sind; das ist also anders als in den bislang entschiedenen Fällen des BSG, in denen die ehrenamtliche Tätigkeit im Rahmen spezieller Funktionen oder Ämter wie ehrenamtlicher Bürgermeister, Ortsvorsteher oder Kreishandwerkermeister ausgeübt wurde. Die Frage ehrenamtlicher Tätigkeit ist deshalb im Urteilsfall für das LSG Bestandteil der Gesamtbewertung unter sozialversicherungsrechtlicher Betrachtung und nicht Ausgangspunkt.
Merkmale einer abhängigen Beschäftigung lagen vor
Nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien sprach zwar nach Ansicht des LSG Vieles zunächst für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung:
- Die Personen waren in die Arbeitsorganisation des Vereins eingebunden.... für Annahme abhängiger Beschäftigung
 - Auch wenn sie ihre Einsätze selbstständig koordinierten, gab es Vorgaben, dass jeweils einer der betroffenen Personen seine Tätigkeiten aufzunehmen hatte.
 - Zudem waren die von dem Vorstand vorgesehenen Bedingungen über den Betriebsablauf wie Einlass, Einnahme von Eintrittsgeldern in vorgesehener Höhe, Organisation der Höhe einzuhalten.
 
Wichtig | Dass der Vorstand selten bis gar nicht von seinem Weisungsrecht Gebrauch gemacht hatte, sei unerheblich, so das LSG. Entscheidend sei, dass die Möglichkeit bestand, Weisungen zu erteilen.
Ehrenamtlichkeit ist abhängige Beschäftigung ausschließendes Kriterium
Aber im Rahmen der weitergehenden Prüfung geht das LSG davon aus, dass eine Ehrenamtlichkeit der ausgeübten Tätigkeit vorlag, was eine abhängige Beschäftigung ausschließt. Eine ehrenamtliche Tätigkeit erhalte ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und ihre Unentgeltlichkeit, während die abhängige Beschäftigung regelmäßig durch Arbeitsentgelt geprägt ist.
Nach Ansicht des LSG lagen hier die Voraussetzungen für die ehrenamtliche Tätigkeit vor. Es standen bei den Museumsführern überwiegend altruistische Motive im Vordergrund. Dabei komme es nicht auf die subjektive Betrachtung der Personen an, sondern auf allein auf eine objektive Einordnung.
Die Tätigkeit wurde nach Auffassung des LSG unentgeltlich ausgeübt. Mit der
Bezahlung sollten lediglich Fahrtkosten und Verpflegung abgegolten werden.
Während ein konkreter Ersatz entstandener Aufwände für eine Tätigkeit generell nicht als Entgelt einzuordnen wäre, bedarf ein pauschalierender Aufwandsersatz aber einer differenzierten Einzelfallbetrachtung. Die Kosten der An- und Heimfahrt und die Kosten des Verpflegungsbedarfs wurden im Urteilsfall nicht ermittelt, bemessen und dann individuell ersetzt. Die Zahlung erfolgte stattdessen pauschal mit fünf Euro pro Tätigkeitsstunde bzw. 30 Euro pro Tätigkeitstag (sechs Stunden) für jede der betroffenen Personen.
Wann pauschaler Aufwandsersatz nicht als Entgelt gilt
Bei pauschalen Aufwandsentschädigungen muss – so das LSG – die Berechnungsgrundlage dahingehend geprüft werden, ob sie dem Grundgedanken der Entschädigung für aufgewendete Zeit usw. entspricht. Fehlt es an nachvollziehbaren Begründungen und geht der geleistete Geldbetrag erkennbar über den getätigten Aufwand hinaus, liegt eine abhängige Beschäftigung vor.
Gegen eine bloße Aufwandsentschädigung und für die Einordnung als verdeckte Entlohnung sprach, dass bei den stundenweise ermittelten und damit zeitlich-linear anwachsenden Zahlungen keine Entsprechung zwischen dem behaupteten Aufwand und der Aufwandsentschädigung bestand. Das LSG betrachtete dabei die einzelnen Aufwendungen, die eine Einordnung der Zahlungen als bloße Aufwandsentschädigung erlauben:
- Fahrtkosten: Eine stundenbezogene Zahlung als Fahrtkostenersatz zu behandeln, ist problematisch. Denn Fahrtkosten hängen von der tatsächlich gefahrenen Strecke zum Einsatzort ab und nicht von der täglichen Arbeitszeit. Die Fahrtkosten konnten damit nicht über denselben Pauschalansatz adäquat entschädigt werden.StundenbezogeneZahlung ist kaum als Fahrtkostenersatz darstellbar
 - Verpflegung: Der Verpflegungsbedarf hängt dagegen von der täglichen Arbeitszeit ab. Hier berücksichtigte das LSG, dass die tägliche Arbeitszeit jeweils sechs Stunden betrug. Eine einheitliche und pauschale – tageweise berechnete – Abgeltung des Verpflegungsaufwands war also sachgerecht.Tageweise Abgeltungdes Verpflegungs-aufwands ist hier sachgerecht
 
Im übrigen wertete das LSG die fehlende Kongruenz als unschädlich, da der pauschalen Aufwandsentschädigung eine gewisse Inkongruenz immanent sei und es dafür auch im Urteilsfall besondere Gründe gab. Der Verein beschäftigte keine eigenen Buchhaltungskräfte und die Einschaltung externer Dienstleister hätte den Wert der ausgezahlten Zuwendungen überstiegen.
Zahlung war keine adäquate Gegenleistung für die Tätigkeit
Ganz entscheidend kam es dem Gericht auf die Höhe der geleisteten Entschädigung an. Unentgeltlichkeit liegt vor, wenn die Vergütung evident hinter einer adäquaten Gegenleistung für die zu beurteilende Tätigkeit zurückbleibt. Eine Vergütung von fünf Euro pro Arbeitsstunde im Jahre 2017 lag erheblich unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns von seinerzeit 8,84 Euro. Zudem war von einer Tätigkeit mit erhöhtem Verantwortungsumfang auszugehen. Die betroffenen Personen verwalteten u. a. die Tageseinnahmen und trugen die Verantwortung für die Öffnung und Schließung des Museums.
Überschreitung der Ehrenamtspauschale spielt keine Rolle
Dass mit der Vergütung die steuerrechtliche Ehrenamtspauschale überschritten wurde, führt aus Sicht des LSG zu keiner abweichenden Beurteilung. § 1 S. 1 Nr. 16 SvEV sagt nichts über die sozialversicherungsrechtliche Einordnung höherer Zuwendungen aus.
Keine prekäre Beschäftigung
Das Ergebnis hält auch einer Prüfung im Hinblick auf den Schutzzweck sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen stand, wonach prekäre Arbeitsverhältnisse nicht unter dem Deckmantel der Ehrenamtlichkeit gerechtfertigt werden dürfen. Denn die betroffenen Personen sicherten ihren Lebensunterhalt anderweitig, z. B. als Rentenbezieher oder Freiberufler, sodass ein Missbrauchsfall ausgeschlossen werden konnte.
Das bedeutet das Urteil für die Praxis
Das Urteil stellt klar, dass geringe pauschale Stundenvergütungen versicherungsfrei sein können. Wichtig bleibt gleichwohl eine Einzelfallbetrachtung, die neben der Vergütung auch das finanzielle Umfeld der Personen im Blick hat. Insbesondere darf Ehrenamtlichkeit nicht als Deckmantel für ein an sich abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit niedriger Vergütung genutzt werden.
Was für den Aufwendungsersatz steuerlich gilt
Das LSG hat sich nur mit der sozialversicherungsrechtlichen Seite befasst. Aber Entgelte sind nicht automatisch steuerfrei, wenn Sozialversicherungsfreiheit besteht. Steuerfrei ist nur der echte Aufwendungsersatz, wenn die Ehrenamtspauschale überschritten wird. Pauschale Aufwandsentschädigungen sind in der Regel sonstige Einkünfte im Jahr (§ 22 Nr. 3 EStG); sie sind voll steuerpflichtig, wenn die 256-Euro-Freigrenze überschritten wird.
AUSGABE: SB 11/2025, S. 213 · ID: 50585039