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PersonalmanagementAntworten auf häufige arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie

Abo-Inhalt 01.04.2020 7 Min. Lesedauer Von Rechtsanwalt Dr. Jörg Puppe, Osborne Clarke, Köln

| Kein anderes Thema bestimmt momentan den Alltag so sehr wie die Corona-Virus (SARS-CoV-2)-Pandemie. Neben den Einschränkungen des täglichen Lebens hat die Krise auch erhebliche Auswirkungen auf das Arbeitsleben. LGP beantwortet die wesentlichen arbeitsrechtlichen Fragen. |

Antworten auf häufige arbeitsrechtliche Fragen
Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und Leistungsverweigerungsrecht
  • Arbeitnehmer können nicht einseitig entscheiden, der Arbeit fernzubleiben. Ein solches Leistungsverweigerungsrecht steht Arbeitnehmern auch dann nicht zu, wenn sie Angst vor einer Ansteckung haben. Die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung besteht grundsätzlich fort. Bleiben Arbeitnehmer dennoch der Arbeit fern, gilt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Darüber hinaus könnten Arbeitgeber auch arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen, z. B. den Arbeitnehmer abnahmen oder – in begründeten Ausnahmefällen – sogar kündigen.
  • Ein Leistungsverweigerungsrecht kann sich aber in Einzelfällen ergeben, wenn im Betrieb bereits Infektionsfälle von Arbeitnehmern bekannt geworden sind und/oder der Arbeitgeber keinerlei Schutzmaßnahmen ergriffen hat.
Home-Office
  • Derzeit arbeiten bereits viele Arbeitnehmer von zu Hause aus (Home-Office), um Infektionsrisiken zu vermindern und Arbeitsausfälle zu vermeiden.
  • Voraussetzung für die Arbeit im Home-Office ist eine wirksame Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (ggf. auch in Form einer Betriebsvereinbarung). Eine einseitige Anordnung durch den Arbeitgeber oder die einseitige Entscheidung des Arbeitnehmers, von zu Hause aus zu arbeiten, reicht nicht.
  • Der Arbeitsplatz im Home-Office muss arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen genügen, z. B. einen ausreichend großen Arbeitstisch oder hinreichende Beleuchtung aufweisen. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass sensible Daten so gesichert sind, dass unbefugte Dritte keinen Zugriff erlangen können (z. B. kein Liegenlassen von Arbeitsdokumenten, ggf. abschließbarer Arbeitsraum). Die Anforderungen sollten in einer umfassenden Home-Office-Vereinbarung niedergelegt sein.
Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung
Möchte der Arbeitgeber seinen Betrieb vorsorglich schließen, ohne dass es dazu eine behördliche Anordnung gibt, muss er seine Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung freistellen. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber den begründeten Verdacht hat, dass ein Arbeitnehmer am Corona-Virus erkrankt ist und diesen deshalb nach Hause schickt. Ein begründeter Verdacht liegt etwa vor, wenn der Arbeitnehmer sich zuvor in einem Risikogebiet aufgehalten hat oder er spezifische Symptome zeigt.
Kinderbetreuung zu Hause und Fortzahlung der Vergütung
Aufgrund der derzeitigen Schließung von Schulen und Kindertagesstätten, stellen sich viele Arbeitgeber die Frage, ob Arbeitnehmer aufgrund der notwendigen Betreuung ihrer Kinder nicht arbeiten müssen und zudem ihren Lohnanspruch behalten. Hier gilt:
  • Arbeitnehmer, die eine Betreuungspflicht gegenüber Kindern haben, dürfen für den Zeitraum der Schließung von Kindertagesstätten und Schulen der Arbeit fernbleiben, wenn es keine andere Betreuungsmöglichkeit für ihr Kind gibt. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber aber anzeigen, dass er aufgrund der Schließung nicht arbeiten kann, weil er seine Kinder betreuen muss.
  • Wie oben erwähnt, haben Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Vergütung, wenn sie ihre Arbeitsleistung nicht erbringen. Eine Ausnahme hiervon ist in § 616 BGB geregelt. Der Arbeitnehmer hat bei einem Leistungsverweigerungsrecht aus persönlichen Verhinderungsgründen für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Dieser Anspruch kann aber zwischen den Arbeitsvertragsparteien (z. B. im Arbeitsvertrag) ausgeschlossen sein.
  • Ist § 616 BGB nicht ausgeschlossen, können Arbeitnehmer für Zeiten der Schließung von Schulen und Kindertagesstätten nach § 616 BGB einen Anspruch auf Vergütung gegen den Arbeitgeber haben.
    • Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer ein Kind hat, das der Betreuung bedarf, weil es noch nicht das 12. Lebensjahr vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist und keine andere Person das Kind beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann. Da Großeltern (je nach Alter) zur Risikogruppe zählen, scheiden diese faktisch als Betreuungspersonen aus. Bei gemeinsam erziehenden Eltern hat der Arbeitnehmer für jeden Arbeitstag nachzuweisen, dass sich die Arbeitszeiten beider Elternteile überschneiden, sodass es nicht möglich ist, dass diese im Wechsel das Kind betreuen. Sofern Schulen oder Kindertagesstätten teilweise für bestimmte Personengruppen eine Betreuung der Kinder zur Verfügung stellen, besteht schon kein Betreuungsausfall. In der Folge besteht kein Anspruch auf (vergütete) Freistellung.
    • Zudem muss der Zeitraum der Verhinderung eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ betreffen. Welcher Zeitraum noch als „nicht erhebliche Zeit“ gilt, ist nicht abschließend geklärt. Hier wird derzeit vieles vertreten. Teilweise wird bei gemeinsam erziehenden Eltern ein Zeitraum von zehn Arbeitstagen (zwei Wochen bei einer Fünftagewoche) pro Elternteil als „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ angesehen, während bei alleinerziehenden Arbeitnehmern auch bis zu 20 Arbeitstage (vier Wochen bei einer Fünftagewoche) als „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ in Betracht kommen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat in einer Stellungnahme einen Zeitraum von zwei bis drei Tagen, aufgrund der Sondersituation maximal fünf Tage, als Obergrenze angesehen. Teilweise wird auch davon ausgegangen, dass der nötige Betreuungszeitraum in jedem Fall eine „verhältnismäßig erhebliche Zeit“ darstellt und damit gar kein Anspruch auf Entgeltzahlung bestünde.
    • Neu aufgenommen ins Infektionsschutzgesetz wurde eine Regelung, dass Eltern einen Entschädigungsanspruch haben können, wenn sie wegen einer Pandemie Verdienstausfälle erleiden. Mehr dazu auf Seite 63.
  • Praxistipp | Arbeitgeber könnten, sofern § 616 BGB nicht bereits ausgeschlossen ist, eine Lohnzahlung mit dem Argument verweigern, es liege kein verhältnismäßig nicht erheblicher Zeitraum vor. Hier besteht aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich Arbeitnehmer arbeitsunfähig krankmelden, um einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung geltend machen zu können. Damit ist aber beiden Arbeitsvertragsparteien nicht geholfen. Möglichst pragmatische Lösungen sind daher besser. Bereits die (temporäre) Gewährung von Home-Office und unter Umständen eine zusätzliche flexible Handhabung der Arbeitszeiten (befristete Reduzierung oder Gestattung einer anderen Lage der Arbeitszeit während des Tages) kann eine gute Lösung für beide Seiten sein. Auch bietet sich der Abbau von Überstunden oder der Aufbau negativer Zeitsalden als Instrument an, um Verdienstausfälle zu kompensieren. Zudem kann die Gewährung von Urlaub oder zumindest der Abbau von Resturlaub aus dem Vorjahr für den Betreuungszeitraum eine geeignete Maßnahme sein.
Vergütungspflicht bei behördlichen Maßnahmen wie Quarantäne
  • Muss ein Arbeitnehmer vorsorglich in Quarantäne oder erlässt die Behörde ein Beschäftigungsverbot, stellen sich Arbeitnehmer zunächst finanziell nicht schlechter. Sie können einen Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhalten (§ 56 Abs. 1 IfSG) oder behalten unter Umständen zunächst ihren Lohnanspruch nach § 616 BGB.
  • Für die Zahlung dieser Entschädigung geht der Arbeitgeber in Vorleistung und zahlt die Entschädigung an den Arbeitnehmer für die Dauer von sechs Wochen. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich in den ersten sechs Wochen nach dem Verdienstausfall. Der Arbeitgeber kann die Erstattung der gezahlten Entschädigungen bei der zuständigen Behörde beantragen. Arbeitgeber können bei dieser zudem einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrags beantragen. Ist der Sechs-Wochen-Zeitraum verstrichen, kann der Arbeitnehmer eine Entschädigung in Höhe des Krankengelds von der Behörde beantragen. Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch ist jedoch, dass der Arbeitnehmer aufgrund der behördlichen Maßnahme einen Verdienstausfall erleidet (§ 56 Abs. 1 IfSG). Ein solcher Verdienstausfall besteht aber nur, wenn der Arbeitnehmer nicht gegenüber seinem Arbeitgeber weiterhin Anspruch auf Lohnzahlung hätte. Dies wäre der Fall, wenn der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch nach § 616 BGB behielte. Insbesondere im Falle von behördlich angeordneten Beschäftigungsverboten aufgrund von Infektionen mit dem Corona-Virus dürfte der Tatbestand des § 616 BGB erfüllt sein. Sofern diese Regelung also nicht im Arbeitsverhältnis ausgeschlossen wurde, müssten Arbeitgeber weiter den Lohn zahlen und könnten keinen Erstattungsanspruch gezahlter Entschädigungen gegenüber der Behörde geltend machen.
  • Ist der Arbeitnehmer tatsächlich am Corona-Virus erkrankt und erlässt die Behörde deswegen Quarantäne, konkurrieren die Ansprüche auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz sowie der Anspruch auf Entschädigung nach dem IfSG miteinander. Welcher Anspruch Vorrang hat, ist bislang nicht abschließend geklärt. Der Entschädigungsanspruch nach dem IfSG dürfte wohl als spezielle Regelung vorgehen.
  • Wird ein ganzer Betrieb aufgrund einer behördlichen Maßnahme stillgelegt, stellt sich zudem die Frage, ob in diesem Fall der Vergütungsanspruch fortbesteht. Dies ist der Fall, wenn die sog. Betriebsrisikolehre greift, weil in einem solchen Fall die Schließung der Risikosphäre des Arbeitgebers zugerechnet würde. Gegen die Anwendbarkeit spricht allerdings, dass die derzeitige Pandemie kein dem Betrieb des Arbeitgebers innewohnendes Risiko darstellt. In solchen, allein von außen einwirkenden, Fällen (z. B. auch Unruhen oder Kriegszustände) wird in aller Regel die Betriebsrisikolehre verneint, sodass ein Lohnanspruch entfiele. Wie die Rechtsprechung hierzu entscheiden wird, ist nicht sicher. Aufgrund der ungeklärten Rechtslage sollten Arbeitgeber möglichst einen Antrag auf Vorschusszahlung für eine Entschädigung nach dem IfSG bei den zuständigen Behörden stellen.

Ausgabe: 03/2020, S. 71 · ID: 46452921

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