StrafprozessSind der erst „beschränkte“, dann der „volle“ Pflichtverteidiger nur eine Angelegenheit?
| Wird der Anwalt dem Beschuldigten (nur) zur Wahrnehmung seiner Rechte bei einem Hafttermin oder im Zusammenhang mit der richterlichen Vernehmung eines Zeugen beigeordnet, ist die Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeiten in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Wird der Rechtsanwalt zunächst nur „beschränkter“ Pflichtverteidiger und erst später in vollem Umfang bestellt, gehen das AG Speyer und das LG Frankenthal von zwei unterschiedlichen Angelegenheiten aus (vgl. RVG prof. 23, 148). Das OLG Zweibrücken hat als letzte Instanz anders entschieden (17.10.23, 1 Ws 200/23, Abruf-Nr. 239275). |
Bei der Tätigkeit des Verteidigers bzgl. einer Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren und der Tätigkeit als Verteidiger im Erkenntnisverfahren handele es sich um dieselbe Angelegenheit. Der Verteidiger sei demselben Angeklagten in demselben Strafverfahren während des Ermittlungsverfahrens zweimal beigeordnet worden. Dasselbe Strafverfahren stelle – jedenfalls für jede Instanz – immer dieselbe Angelegenheit i. S. v. § 15 Abs. 2 RVG dar (vgl. OLG Celle 25.8.10, 2 Ws 303/10; OLG Düsseldorf 12.12.13, III 1 Ws 416/13; LG Landshut 23.3.10, 2 Qs 326/09; für das Revisionsverfahren OLG München 21.1.08, 4 Ws 3/08
M. E. liegt das OLG falsch und die angeführte Rechtsprechung stützt die falsche Auffassung nicht. Das OLG übersieht, dass die Bestellung des Verteidigers im Ermittlungsverfahren (ggf.) nur für die „Dauer der Vernehmung der Zeugin“ erfolgt, also zeitlich beschränkt ist/war. Sie war mit der Vernehmung beendet; danach ist eine neue Beiordnung erfolgt. Das OLG übersieht auch, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts während der Dauer einer Vernehmung etwas anderes ist als Verteidigertätigkeit im Erkenntnisverfahren.
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