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VerordnungenSo verordnen Sie Heilmittel rechtskonform und wirtschaftlich

14.03.20257 Min. LesedauerVon Jana Brandt, ZMV, individuelles Praxismarketing & Abrechnungsbetreuung InPrA, Sangershausen

| Eine Heilmittelverordnung ist schnell ausgestellt. Die Software verlangt nur wenige Angaben, die infrage kommenden Heilmittel werden Ihnen vorgeschlagen und Sie wählen aus. So einfach ist es aber nicht. Heilmittel, die verordnet werden, verlangen eine umfassende Diagnostik, das Abwägen verschiedener Optionen und eine Therapieüberwachung. Die Dokumentation ist daher sehr aufwendig. Um trotz der begrenzten BEMA-Vergütung ein angemessenes Honorar zu erzielen, gilt es, den Aufwand in Grenzen zu halten und den Patienten auf optionale private Zusatzleistungen hinzuweisen. |

Die Heilmittelverordnung ist kein Allheilmittel

Wenn Sie sich mit einer Diagnostik und einer Indikation für eine Heilmittelverordnung (HMV) entscheiden, ist dies ein sehr komplexer Vorgang. Zu berücksichtigen sind die „funktionellen oder strukturellen Schädigungen, [und] Beeinträchtigung der Aktivitäten einschließlich der person- und umweltbezogenen Kontextfaktoren“ (§ 3 Abs. 6 Heilmittel-Richtlinie [HeilM-RL]; online unter iww.de/s12600).

Zudem ist zu erwägen, ob sich das Behandlungsziel ausschließlich mit Heilmitteln erreichen lässt. Kann der Patient auf anderen Wegen, z. B. andere Therapiemaßnahmen (z. B. Arzneimittel) oder eigenverantwortliche Maßnahmen (z. B. Eigenübungsprogramm oder Vermeiden von krankheitsbildbeeinflussenden Gewohnheiten), das Behandlungsziel erreichen, sind diese vorzuziehen.

§ 3 Abs. 2 Heilmittel-Richtlinie: Voraussetzungen der Verordnung

Heilmittel können zu Lasten der Krankenkassen nur verordnet werden, wenn sie notwendig sind, um
  • eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern,
  • eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen,
  • einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken, oder
  • Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu mindern.

Die Diagnosestellung ist im BEMA sehr knapp vergütet

Für die Diagnostik steht Ihnen nur die BEMA-Nr. 01 (Eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten einschließlich Beratung) zur Verfügung. Mit einer Vergütung von ca. 22 Euro lässt sich die erforderliche umfassende Dokumentation kaum wirtschaftlich erbringen. Ggf. könnten auch die BEMA-Nrn. FU 1a–c (ca. 35 Euro), FU 2 (ca. 33 Euro) oder 01k (ca. 34 Euro) infrage kommen. Begrenzen Sie die Diagnostik und Dokumentation daher auf die Grundsätze der HeilM-RL, z. B. mit folgender Checkliste:

Checkliste / Dokumentation einer Heilmittelverordnung

RichtlinieIhre Dokumentation
Diagnostik
01 Befund, FU 1 a-c*, FU 2* oder 01k*
Zustand des Patienten unter Angabe der Beschwerden
durch Untersuchung belegbar
Eigene Bemühungen, Ergebnis
Information über die persönlichen Lebensumstände (Kontextfaktoren)
Bisherige Heilmittelverordnungen von Ihnen
Ergebnis/Therapiebericht
Vom Patienten wahrgenommene vorherige alio loco verordnete und erbrachte Heilmittelbehandlungen
o Vorhanden, erbracht = Ergebnis
o Keine
Indikation für HMV gem. Heilmittel-Richtlinie
o Ja, Diagnose:
o Nein
Andere Empfehlungen

* Beachten Sie die Abrechnungsbestimmungen!

Wichtig | Sie haben jederzeit Zugriff auf die GOZ. Trotzdem haben Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auch Anspruch auf eine HMV, wenn sie private Leistungen ablehnen. Eine HMV darf niemals von privaten Leistungen abhängig gemacht werden. Umso wichtiger ist es, dem GKV- Patienten die Grenzen der GKV und die Vorteile einer umfassenden privaten Funktionsanalyse zu erklären.

Für eine Funktionsanalyse ansatzfähige GOZ-Ziffern
LeistungGOZ
Klinische Funktionsanalyse einschließlich Dokumentation
8000
Erstellen eines Kostenvoranschlags „nur Funktionsanalyse“
0030
Erstellen eines Kostenvoranschlags „mit funktionsanalytischen und funktionstherapeutischen Maßnahmen“
0040
Auswertung und Beratung
Ä1, Ä3 (alleinige Sitzung), ggf. Ä 34
Kautest:
  • Test für das generelle Vorhandensein einer Überdehnung einer Muskelgruppe
  • Muskelpalpation auf Schmerz der einzelnen Muskeln, Test für die genaue Lokalisation einer Überdehnung im Muskel
Ä 399
Beratendes und belehrendes Gespräch mit Anweisungen zur Beseitigung von schädlichen Gewohnheiten und Dysfunktionen
6190

Separat abrechenbare Zusatzleistungen (analog nach § 6 Abs. 1 GOZ)

  • Manuelle Strukturanalyse
  • Bewegungsanalyse bzgl. Kiefergelenksdysfunktion
  • CMD-Screening zur Überprüfung des Vorhandenseins spezifischer Symptome craniomandibulärer Dysfunktionen
  • Kondylenpositionsanalyse
  • Test zur Aufdeckung orthopädischer und/oder psychosomatischer Co-Faktoren
  • Screening: Zahnverschleiß, Bruxismus

Diese Anforderungen muss die Heilmittelverordnung erfüllen

Haben Sie die Hürde der Diagnostik und Dokumentation für die HMV bewältigt, beachten Sie die Vorgaben der HeilM-RL Teil II (Heilmittelkatalog) zur Verordnung und zu den Behandlungszielen. In allen Fällen gibt Ihnen der Heilmittelkatalog der Richtlinie genaue Instruktionen vor, die Sie beachten müssen:

  • Indikationsgruppen, mit Ihrer erhobenen Diagnostik belegbar (z. B. CD 2)
  • Leitsymptomatik: strukturelle/funktionelle Schädigung (z. B. CD 2d)
  • Ziel der Therapie
  • Welches Heilmittel?
  • Verordnungsmenge

Die Auswahl des Heilmittels richtet sich laut HeilM-RL Teil II (Heilmittelkatalog) nach

  • Ausprägung und Schwere der Erkrankung,
  • daraus resultierenden funktionellen oder strukturellen Schädigungen,
  • Beeinträchtigungen der Aktivitäten und
  • den angestrebten Therapiezielen.
Welches Heilmittel bei welchem Beschwerdebild?
PhysiotherapieStimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie
  • 1.1 Craniomandibuläre Störungen, Indikationsgruppe CD1, Indikationsgruppe CD2
  • 1.2 Fehlfunktionen bei angeborenen cranio- und orofazialen Fehlbildungen und Fehlfunktionen bei Störungen des ZNS, Indikationsgruppe ZNSZ
  • 1.3 Chronifiziertes Schmerzsyndrom, Indikationsgruppe CSZ
  • 1.4 Lymphabflussstörungen, Indikationsgruppe LYZ1, Indikationsgruppe LYZ2
  • 2.1 Störungen des Sprechens, Indikationsgruppe SPZ
  • 2.2 Störungen des oralen Schluckakts, Indikationsgruppe SCZ
  • 2.3 Orofaziale Funktionsstörungen, Indikationsgruppe OFZ

Was die Menge der Behandlungseinheiten angeht, gilt laut Heilmittelkatalog: „Nicht bei jeder funktionellen oder strukturellen Schädigung ist es erforderlich, die Höchstmenge je Verordnung beziehungsweise die orientierende Behandlungsmenge auszuschöpfen.“

Wichtig | Nutzen Sie bitte den Freitext für genaue Angaben. Das Formular für die HMV ermöglicht Ihnen zudem, vom Heilmittelerbringer (z. B. Physiotherapeut, Logopäde) einen Therapiebericht anzufordern. Dieser ist dringend anzuraten, denn wenn Sie ein Folgerezept ausstellen wollen, benötigen Sie die Daten aus dem Therapiebericht zum Abgleich.

Auch eine Folgeverordnung erfordert wieder eine strenge Indikationsstellung

Für ein Folgerezept müssen wieder alle Faktoren aus der Diagnostik (erneute schädigungsabhängige Erhebung des aktuellen Befundes) mit der erfolgten Therapie verglichen werden. Dokumentieren Sie zudem die Gründe für eine Folgeverordnung.

Langzeitverordnung – was ist das?

In bestimmten Fällen können Versicherte auf Basis der Verordnung eine Langzeitverordnung bei der gesetzlichen Krankenkasse erwirken. Für einen bestimmten Zeitraum erfolgt dann die Kostenübernahme der zuständigen Krankenkasse, ohne dass Sie erneute Verordnungen ausstellen müssen. Zeichnet sich also anhand des Schweregrades eine längere Therapiedauer ab, beraten Sie den Patienten eingehend und bitten Sie ihn, die Langzeittherapie bei der Krankenkasse zu beantragen.

Wenn die Therapie nicht erfolgreich war – was dann?

Bei Nichterreichen des individuell angestrebten Therapiezieles ist nach § 6a Abs. 3 HeilM-RL eine weiterführende Diagnostik erforderlich, die maßgebend ist für die Entscheidung über die Notwendigkeit zur Einleitung anderer Maßnahmen, die Beendigung oder die Fortsetzung einer Therapie. Die Vertragszahnärztin oder der Vertragszahnarzt entscheidet schädigungsabhängig, welche Maßnahmen der weiterführenden Diagnostik sie oder er durchführt bzw. veranlasst. Unter Umständen ist ein anderer Facharzt zu konsultieren.

Drei Beispiele für die Heilmittelverordnung

Nachfolgend veranschaulichen drei Beispiele die Dokumentation einer Heilmittelverordnung bei einem Kind (25 Monate), bei einer 56-jährigen Patientin nach Fahrradunfall sowie bei einem 34-jährigen Patienten mit Stresssymptomatik und Kiefergelenkbeschwerden.

1. Kind, 25 Monate, infantiles Schluckmuster und Mundatmung
BEMA-Nr. FU 1c (1. Kalenderhalbjahr)
Früherkennungsuntersuchung vom 21. bis zum vollendeten 33. Lebensmonat
Einzeluntersuchung mit Mutter
BEMA-Nr. 181a
Rücksprache mit Kinderärztin
Keine Verordnung HMV erfolgt
/
Ausstellung HMV
BEMA Ä 75/7750
Umfassender Befundbericht für Kinderärztin
  • Anamnese,
  • Befund/Indikation HMV
  • epikritische Bewertung
  • Folgetherapie
Folgesitzung: Therapiebericht liegt vor. Es sind Fortschritte zu verzeichnen – Mutter bemüht sich um eine Langzeitverordnung mit dem Folgerezept und dem Therapiebericht des Therapeuten.
BEMA-Nr. 01 (2. Kalenderhalbjahr, 4 Monate Abstand)
Eingehende Untersuchung und Beratung und gemeinsame Auswertung der therapeutischen und häuslichen Maßnahmen
Cave: Bestimmung BEMA-Nr. 01 zur FU 1c beachten (Abstand)
/
Folgeverordnung
BEMA Ä 70/7700
Kleiner Befundbericht für Logopädie
BEMA Ä 75/7750
Umfassender Befundbericht für Kinderärztin
  • Anamnese,
  • Befunde (Auswertung des Therapieberichts)
  • epikritische Bewertung
  • Folgetherapie HMV
2. Patientin, 56 Jahre, Folge eines Wegeunfalles mit dem Fahrrad (Weg zur Arbeit)
BEMA-Nr. 01
Untersuchung
Befundaufnahme
Unfallbericht/Zahnschaden
Angaben aus dem Unfall
Formular ausgefüllt, Abkommensgebühr
/
Verordnung HMV
Folgesitzung: Auswertung Therapiebericht – Beschwerden deutlich besser, häusliche Maßnahmen ausreichend
BEMA Ä1
Beratung
Keine Folgeverordnung
3. Patient, 34 Jahre, Kiefergelenksbeschwerden, vermutlich wegen Stress im Arbeitsalltag
BEMA-Nr. 01
Untersuchung
Befundaufnahme, Beschwerdebild nicht ausreichend für HMV
GOZ/GOÄ Ä3
Alleinige Beratung über Therapiealternativen, FAL und ggf. FTL; Beratung über weiterführende private Untersuchungsleistungen und Grenzen der Sachleistung
Patient einverstanden
Vereinbarung nach § 8 Abs.7 BMV-Z, z. B.:
  • 0030
  • Ä1, Ä3
  • 6190
  • 8000
  • § 6 (1) CMD Kurztest
  • § 6 (1) manuelle Strukturanalyse
  • § 6 (1) Test zur Aufdeckung psychosomatischer Co-Faktoren
  • Ä 70
Vereinbarung: FAL/GOZ
Funktionsanalyse + Übungsanwendungen + Überweisung Netzwerk Osteopathie
Folgesitzung: Beschwerden deutlich besser, häusliche Maßnahmen ausreichend
BEMA Ä1
Beratung
Keine Folgeverordnung
Zusammenfassung: So erstellen Sie eine HMV
  • 1. Diagnostik – Erstverordnung
=> BEMA: 01, 01k, FU 1a-c // FU 2
  • 2. Verordnung anhand Richtlinie:
=> Indikation, Ziel der Therapie und Heilmittel gemäß Vorgaben der HeilM-RL
  • 3. Therapiebericht anfordern!
  • 4. Evaluation der erfolgten Therapie
=> BEMA: Ä1, 01, FU 1 a-c //FU 2
  • 5. Ggf. Langzeitverordnung
=> Antrag durch Versicherten
  • 6. Folgeverordnung niemals ohne erneute Diagnostik und Vergleich Therapieziel
Fazit | Diagnostik, Dokumentation und Indikation sind sehr komplex. Ein strukturiertes Vorgehen und eine sorgfältige Dokumentation helfen Ihnen, sich bei ggf. später angeordneten Regressen zu verteidigen. Heilmittelverordnungen sind in der Regel nicht budgetiert, sie unterliegen aber dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Insofern ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung und/oder ein Regress immer möglich, da die Heilmittelverordnung nicht beantragt oder genehmigt wird (Ausnahme: Langzeitverordnung, s. o.).

AUSGABE: AAZ 4/2025, S. 10 · ID: 50347827

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