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Steuerliche PflichtenBis dass der Tod uns scheidet: Die Einkommensteuer bei Verstorbenen
| Nach dem Tod denken die Erben in steuerlicher Hinsicht oft zuerst an die Erbschaftsteuer. Fällt sie an? Wie hoch ist sie? Wer erstellt die Steuererklärung? Schnell wird dabei vergessen, dass die bereits vor dem Tod begründeten steuerlichen Pflichten des Verstorbenen weiterlaufen. Diese hat nun jedoch der Erbe zu erfüllen. So steht u. a. auf der Tagesordnung, dass für den Verstorbenen noch bis einschließlich des Todesjahres Steuererklärungen abzugeben sind. ErbBstg beleuchtet aus diesem Anlass, worauf die Erben in einkommensteuerlicher Hinsicht zu achten haben. |
Inhaltsverzeichnis
- 1. Steuerliche Pflichten gehen auf den Erben über
- 2. Abgabe von Steuererklärungen – ggf. auch freiwillig
- 3. Berichtigung fehlerhafter Erklärungen prüfen
- 4. Woher die Daten des Verstorbenen nehmen?
- 5. Die Wahl der Veranlagungsart
- 6. Bekanntgabe von Steuerbescheiden
- 7. Einspruch einlegen und ggf. Wiedereinsetzung prüfen
- 8. Steuerzahlungen und Erstattungen bei der Erbschaftsteuer
1. Steuerliche Pflichten gehen auf den Erben über
Tritt ein Erbe die Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) an, so umfasst das Erbe nicht nur das zum Todeszeitpunkt materiell vorhandene Vermögen. Und die steuerlichen Pflichten beschränken sich auch nicht auf eine möglicherweise abzugebende Erbschaftsteuererklärung. Vielmehr gehen auch alle übrigen steuerlichen Rechte und Pflichten aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Erben über (§ 45 AO). Erben haben damit u. a.
- ausstehende Einkommensteuererklärungen des Verstorbenen abzugeben,
- Steuerbescheide entgegenzunehmen,
- nach §§ 90 ff. AO bei Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts mitzuwirken sowie angeforderte Belege und Unterlagen vorzulegen,
- Betriebsprüfungen für Zeiträume vor dem Erbfall hinsichtlich der Verhältnisse des Verstorbenen zu dulden (BFH 9.5.78, VII R 96/75)
- und natürlich die Steuerschulden des Verstorbenen zu begleichen.
Das gilt auch für steuerliche Nebenleistungen wie z. B. festgesetzte Verspätungszuschläge (§ 152 AO), Zinsen (§§ 233 ff. AO) oder aufgelaufene Säumniszuschläge (§ 240 AO). Wurde gegen den Verstorbenen hingegen ein Zwangsgeld festgesetzt, so geht dieses gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 AO nicht auf den Erben über. Denn das Zwangsgeld stellt eine Sanktionsmaßnahme dar, welche beim Verstorbenen eine bestimmte Handlung erzwingen sollte. Das ist aufgrund des Todesfalls allerdings nicht mehr möglich. Das FA kann jedoch gegen den Erben ein eigenes Zwangsgeld androhen und im Anschluss festsetzen, wenn dieser den geerbten Pflichten nicht nachkommt.
Erbengemeinschaft ist zur Abgabe einer Feststellungserklärung verpflichtet |
2. Abgabe von Steuererklärungen – ggf. auch freiwillig
War der Verstorbene zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen verpflichtet und hat er diese noch nicht abgegeben (zumindest für das Todesjahr dürfte das die Regel sein), ist der Erbe zur Abgabe der ausstehenden Erklärungen verpflichtet. Die Erklärungen sind dabei an das bisherige Wohnsitzfinanzamt des Verstorbenen zu senden, und es gelten die üblichen Abgabefristen. Diese Fristen sollten unbedingt eingehalten werden, weil ansonsten gemäß § 152 AO Verspätungszuschläge drohen. Erfolgt der Tod allerdings kurz vor oder nach Ablauf der Abgabefrist, haben Erben kaum Gelegenheit zur rechtzeitigen Abgabe. In diesen Fällen sollte gemäß § 109 Abs. 1 AO ein Antrag auf (rückwirkende) Fristverlängerung gestellt werden. Diesem wird das FA in der Praxis regelmäßig stattgeben. Die Fristverlängerung bewirkt, dass für den Zeitraum der zusätzlichen Frist keine Verspätungszuschläge anfallen.
Beachten Sie | Auch wenn der Verstorbene nicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet war, sollten Erben prüfen, ob nicht freiwillig eine Erklärung abgegeben werden sollte. Denn die Praxis zeigt, dass der Erbe in vielen Fällen eine Steuererstattung erhält. War der Verstorbene noch bis zum Todestag als Angestellter tätig, hat der Arbeitgeber vom Bruttoarbeitslohn Lohnsteuern einbehalten. Diese ermittelt sich nach dem voraussichtlichen Jahresbruttoarbeitslohn. Durch den bis zum Todestag verkürzten Veranlagungszeitraum unterschreitet das tatsächliche Einkommen allerdings den bisher angenommenen Arbeitslohn. Infolgedessen ist ein viel niedrigerer oder gar ein Steuersatz von 0 % anzuwenden.
War der Verstorbene bereits Rentner, sollten Erben die bisherigen Zins- und Dividendengutschriften der Banken prüfen. Hat die Bank Kapitalertragsteuern einbehalten, weil ein Sparer-Pauschbetrag nicht erteilt oder die Erträge diesen überschritten haben? Dann kann durch Abgabe einer Steuererklärung unter Beifügung der Anlage KAP oft eine Erstattung realisiert werden. Das funktioniert über einen Antrag auf Günstigerprüfung i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG.
Praxistipp | In vielen Fällen hat der Verstorbene auch für frühere Jahre keine Steuererklärungen abgegeben. Ergibt sich für das Todesjahr eine Steuererstattung, sollten Erben auch für vergangene Jahre prüfen, ob sich eine Steuererstattung ergeben könnte. Da es sich regelmäßig um eine Antragsveranlagung handelt, haben Erben dafür vier Jahre nach Ablauf des jeweiligen Jahres Zeit. In 2025 können Erben also noch problemlos Steuererklärungen für die Jahre bis einschließlich 2021 abgeben (§ 169 Abs. 2 S. 2, § 170 Abs. 1 AO). |
3. Berichtigung fehlerhafter Erklärungen prüfen
Sollten Erben bei Sichtung des Erbes feststellen, dass der Verstorbene in der Vergangenheit fehlerhafte Steuererklärungen abgegeben hat und es deshalb zu einer zu geringen Steuerfestsetzung gekommen ist, müssen die Erben dem FA die Fehler unverzüglich anzeigen und eine Richtigstellung vornehmen. Zumindest dann, wenn für die Jahre noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist (§ 153 Abs. 1 AO).
Erbe muss positive Kenntnis vom Fehler erlangt haben |
4. Woher die Daten des Verstorbenen nehmen?
In der Praxis gestaltet es sich oft besonders mühsam, überhaupt an die steuerlich relevanten Daten des Verstorbenen zu gelangen. Insbesondere wenn es sich nicht um den eigenen Ehegatten oder die Eltern handelt, wissen Erben regelmäßig nicht, welche Einkünfte und abzugsfähigen Kosten der Verstorbene hatte. Hat sich der Verstorbene bereits zu Lebzeiten im ELSTER-Online-Portal registriert, authentisiert und einem Belegabruf zugestimmt, sollten Erben als Erstes diesen vornehmen und die Belege abrufen. Dann verfügen Erben zumindest über die relevanten Lohn-, Pensions- und Renteneinkünfte und über die geleisteten Beiträge für Kranken-, Pflege-, Rürup- und Riesterrenten. Zusätzlich sollten Erben mit ihrem Erbschein zu den Banken des Verstorbenen gehen. Mittels der Kontoauszüge erlangt man die nötigen Erkenntnisse über den bisherigen Zahlungsverkehr (Renten- und Mieterträge, Versicherungen, abzugsfähige Kosten …) sowie über etwaige Zinserträge und einbehaltene Steuern. Gleiches bietet sich bei bekannten Versicherungsunternehmen an.
Hat sich der Verstorbene bisher von einem Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein vertreten lassen, sollten sich Erben auch an diesen wenden. Dieser kann entweder gleich die ausstehenden Erklärungen erstellen, oder die Erben lassen sich die Daten bisheriger Steuererklärungen geben und kümmern sich selbst darum. Hatte der Verstorbene keine steuerliche Hilfe, sollten Erben sich mit dem Erbschein an das FA des Verstorbenen wenden und dieses um Zusendung einer Kopie der letzten Steuererklärung und des letzten Steuerbescheids bitten. Auch daraus können Erben erkennen, welche abzugsfähigen oder zu versteuernden Positionen noch fehlen könnten (z. B. Grad der Behinderung für einen Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG). Wurde der Verstorbene in diesem Jahr allerdings nicht einzeln, sondern mit seinem Ehegatten zusammen veranlagt, benötigen Erben zusätzlich die Zustimmung des betroffenen Ehegatten (oder dessen Erben, falls dieser ebenfalls verstorben ist).
5. Die Wahl der Veranlagungsart
Mit Abgabe der Einkommensteuererklärung haben Erben auch die Veranlagungsart zu wählen. Liegen die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung vor, sollten Erben diese gemeinsam mit dem überlebenden Ehegatten beantragen (BFH 13.11.79, VIII R 193/77). Denn eine Einzelveranlagung des Verstorbenen und des überlebenden Ehegatten führt regelmäßig zu einer höheren Steuerbelastung. Das gilt nicht nur für das Todesjahr, sondern auch für vergangene Jahre.
Sollte es sich um eine Erbengemeinschaft handeln, muss das Veranlagungswahlrecht aber gemeinsam und einheitlich durch alle Erben ausgeübt werden (BFH 8.10.97, XI R 20/97). Eine Besonderheit ist zu beachten, wenn der Verstorbene bereits verwitwet war. Dann sollten Erben an das Witwensplitting des § 32a Abs. 6 Nr. 1 EStG denken. Der Verstorbene kann nämlich auch im Folgejahr nach dem vorherigen Tod seines Ehegatten von dem steuerlich lukrativen Splittingverfahren profitieren. Stirbt ein Ehegatte im Jahr 2024 und der überlebende Ehegatte im Jahr 2025, kann dessen Besteuerung für das Jahr 2025 folglich noch nach dem Splittingtarif erfolgen.
Merke | Handelt es sich bei dem Erben zugleich um den überlebenden Ehegatten, dann ist zunächst für das Todesjahr mit dem verstorbenen Partner die Zusammenveranlagung zu beantragen. Für das Folgejahr gilt dann das Witwensplitting. Erst im Jahr darauf findet der ungünstige Grundtarif nach § 32a Abs. 1 EStG Anwendung – es sei denn, es wurde erneut geheiratet. |
6. Bekanntgabe von Steuerbescheiden
Während sich bereits existierende und dem Verstorbenen bekannt gegebene Einkommensteuerbescheide über die Gesamtrechtsnachfolge auch an den Erben richten und für diesen bindend sind (§ 166 AO), gilt das nicht für zukünftige Bescheide. Diese hat das FA nicht an den Verstorbenen, sondern direkt an den Erben zu adressieren. Bei einer Erbengemeinschaft muss jeder Miterbe als Bekanntgabe- und Inhaltsadressat in den Bescheidkopf aufgenommen werden. Zudem ist ein Hinweis erforderlich, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen in Anspruch genommen wird (AEAO zu § 122, Tz. 2.12.2).
Beachten Sie | Adressiert das FA einen Einkommensteuerbescheid nach dem Tod dennoch direkt an den Verstorbenen, ist dieser unwirksam und muss nicht befolgt werden (BFH 24.3.70, I R 141/69). Das gilt auch dann, wenn der Erbe den Bescheid tatsächlich erhalten hat.
Vollmacht müsste vom Erben ggf. widerrufen werden |
7. Einspruch einlegen und ggf. Wiedereinsetzung prüfen
Grundsätzlich müssen Erben existierende und dem Verstorbenen bekannt gegebene Verwaltungsakte akzeptieren und infolge des Erbes auch befolgen, also die geforderten Steuern zahlen. War bei dem Verstorbenen die Einspruchsfrist des § 355 AO aber noch nicht abgelaufen, geht auch das Recht zur Einspruchseinlegung auf den Erben über. Die Frist wird durch den Erbfall allerdings nicht unterbrochen und verlängert sich auch nicht. Das heißt, Erben können nur in der noch verbliebenen Einspruchsfrist einen zulässigen Einspruch einlegen. Dafür genügt es, dass der Erbe diesen schriftlich oder elektronisch an das FA sendet. Eine Begründung kann bekanntlich auch nach Ablauf der Einspruchsfrist nachgereicht werden.
In der Praxis kommt es allerdings häufig vor, dass die verbliebene Einspruchsfrist nach dem Versterben des Erblassers nur noch wenige Tage beträgt. Da zunächst die Beerdigung im Vordergrund steht, werden entsprechende Bescheide entweder nicht rechtzeitig gefunden oder eine fundierte Prüfung der Rechtmäßigkeit kann aus Zeitgründen nicht erfolgen. Nach der Beerdigung ist dann die Einspruchsfrist abgelaufen, und erst dann stellt sich die Fehlerhaftigkeit des Bescheids heraus. Hier tritt dann eine mögliche Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 110 AO) auf den Plan. Weil den Erben in solchen Fällen am Verstreichen der Einspruchsfrist regelmäßig kein Verschulden treffen dürfte, wird das FA den Erben so stellen, als hätte er den Einspruch rechtzeitig eingelegt. Die Wiedereinsetzung muss aber beantragt werden, und für diese gilt ebenfalls eine einmonatige Frist.
Erbe tritt in offenes Einspruchsverfahren des Erblassers ein |
8. Steuerzahlungen und Erstattungen bei der Erbschaftsteuer
Mit Abgabe von Einkommensteuererklärungen für den Verstorbenen kommt es typischerweise zu Steuernachzahlungen oder Erstattungen. Diese haben auch Auswirkung auf eine von dem Erben zu zahlende Erbschaftsteuer. Denn etwaige Steuererstattungen rechnen gemäß § 10 Abs. 1 S. 3 ErbStG zu dem für die Erbschaftsteuer maßgebenden steuerpflichtigen Erwerb. Dies gilt sowohl für zum Todeszeitpunkt abgeschlossene Veranlagungszeiträume als auch für den Veranlagungszeitraum des Todesjahres. Eine Ausnahme gilt nur für Erbfälle vor dem 29.12.20. In diesen Fällen sind Einkommensteuererstattungen des Todesjahres noch nicht in den für die Erbschaftsteuer maßgebenden steuerpflichtigen Erwerb einzubeziehen (Gesetzesänderung ab dem 29.12.20, vgl. auch BFH 16.1.08, II R 30/06).
Gleichermaßen können Erben natürlich Steuernachzahlungen an das FA innerhalb der Erbschaftsteuererklärung als Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG geltend machen und die Erbschaftsteuer reduzieren (vgl. R E 10.8 ErbStR). Hier kommt es nicht auf den 29.12.20 an, sodass auch für frühere Todeszeitpunkte sowohl die Einkommensteuernachzahlung des Todesjahres als auch Nachzahlungen für abgeschlossene Veranlagungszeiträume als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind (BFH 4.4.12, II R 15/11).
AUSGABE: ErbBstg 6/2025, S. 154 · ID: 50349034