Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Login
FeedbackAbschluss-Umfrage
Mai 2025

UmsatzsteuerVorsteuerabzug einer Tochtergesellschaft für Verwaltungsleistungen der Holding

29.04.20258 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. StB Christian Herold, Herten/Westf.

| Im Rahmen einer Holdingstruktur werden Verwaltungsdienstleistungen von der Holding oder von anderen Gesellschaften der Gruppe oftmals an Tochter- oder Schwestergesellschaften erbracht. Der EuGH hat sich in seinem bemerkenswerten Urteil vom 12.12.24 (C-527/23) mit der Frage befasst, ob und inwieweit den Leistungsempfängern der Vorsteuerabzug aus den bezogenen Verwaltungsdienstleistungen zusteht – vorausgesetzt, es liegt keine Organschaft vor. |

1. Die Quintessenz des Urteils

Das Urteil des EuGH lautet: Wenn erwiesen ist, dass eine Tochtergesellschaft Verwaltungsdienstleistungen, die sie von anderen Mitgliedern der Unternehmensgruppe bezieht, auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke ihrer eigenen besteuerten Umsätze verwendet, ist grundsätzlich das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnet, auch wenn diese Dienstleistungen gleichzeitig an andere Gesellschaften der Gruppe erbracht worden sind. Es handelte sich zwar um einen Fall aus Rumänien, doch die Ausführungen des EuGH sind weitestgehend auf Deutschland übertragbar (EuGH 12.12.24, C-527/23).

2. Sachverhalt

Die Weatherford Atlas Gip nahm die Foserco SA, eine rumänische Gesellschaft, in ihre Unternehmensgruppe auf. Weatherford war Holdinggesellschaft der Foserco, eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand aber nicht, Foserco war also selbst steuerpflichtiges Subjekt. In den Jahren 2015 und 2016 hatte Foserco Bohrdienstleistungen für zwei Kunden erbracht. Um diese Dienstleistungen erbringen zu können, hatte Foserco von Gesellschaften der Weatherford-Gruppe allgemeine Verwaltungsdienstleistungen erworben, insbesondere im Zusammenhang mit IT, Personalwesen, Marketing, Buchhaltung und Beratung. Andere Unternehmen der Gruppe profitierten ebenfalls von den Dienstleistungen.

Die rumänische Steuerverwaltung versagte Foserco den Vorsteuerabzug für die erworbenen Verwaltungsdienstleistungen aus verschiedenen Gründen. Zum einen habe Foserco kein Dokument vorgelegt, um den Zusammenhang zwischen den erworbenen Dienstleistungen und ihrer Tätigkeit nachzuweisen, zum anderen gehe aus den vorgelegten Dokumenten nicht die Notwendigkeit dieser Dienstleistungen für Foserco hervor. Auch seien Dienstleistungen an mehrere Gesellschaften der Weatherford-Gruppe erbracht worden und damit anderen Mitgliedern dieser Gruppe zugutegekommen, sodass ein Zusammenhang zwischen diesen Dienstleistungen und den besteuerten Umsätzen nicht nachgewiesen werden könne. Letztlich musste sich mit der Frage des Vorsteuerabzugs der EuGH befassen.

3. Entscheidungsgründe

Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug setzt einen Leistungsaustausch voraus. Daher ist als Erstes zu prüfen, ob der Erwerb von Verwaltungsdienstleistungen im Rahmen einer Unternehmensgruppe zu den der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen gehört. Maßgeblich ist insoweit, ob zwischen diesen Dienstleistungen und dem vom Empfänger (hier Foserco) gezahlten Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

Außerdem geht aus Art. 168 MwStSystRL hervor, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn zum einen der Betroffene „Steuerpflichtiger“ im Sinne dieser Richtlinie ist und zum anderen die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze verwendet werden und auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht werden. Folglich ist als Zweites zu prüfen, ob die Gesellschaften einer Unternehmensgruppe, die Verwaltungsdienstleistungen erbracht haben, eigenständige Steuerpflichtige sind oder zu einer Organschaft gehören und ob diese Dienstleistungen von dem Leistungsbezieher (hier der Tochtergesellschaft Foserco) auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke ihrer eigenen besteuerten Umsätze verwendet wurden.

Für den Vorsteuerabzug muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen bestehen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen. Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch ausnahmsweise auch ohne einen solchen direkten und unmittelbaren Zusammenhang angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen.

Wenn sich erweist, dass ein Teil der Dienstleistungen für Ausgaben getätigt wurde, die nicht für die Zwecke der eigenen Umsätze des Steuerpflichtigen, sondern für Umsätze Dritter verwendet wurden, wäre der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen diesen Dienstleistungen und den besteuerten Umsätzen dieses Steuerpflichtigen teilweise unterbrochen, sodass er die auf diesen Teil der Ausgaben entfallende Mehrwertsteuer nicht abziehen dürfte.

Merke | Ob Zusammenhänge zwischen Umsätzen bestehen, ist anhand des objektiven Inhalts der betreffenden Umsätze zu beurteilen. Die nationalen Gerichte haben konkret alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffenden Umsätze ausgeführt wurden, und nur die Umsätze heranzuziehen, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen. Daher sind die tatsächliche Verwendung der vom Steuerpflichtigen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe erworbenen Dienstleistungen und der ausschließliche Grund für diesen Erwerb, der als ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts anzusehen ist, zu berücksichtigen.

Um zu bestimmen, in welchem Umfang der Steuerpflichtige die Vorsteuer abziehen darf, muss insbesondere anhand der (Dienstleistungs-)Verträge sowie der wirtschaftlichen und geschäftlichen Gegebenheiten ermittelt werden, inwieweit die betreffenden Dienstleistungen tatsächlich erbracht wurden, um es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine besteuerten Umsätze zu bewirken. Denn nur insoweit belastet die Vorsteuer dem Steuerpflichtigen erbrachte Dienstleistungen. Dabei ist es Aufgabe der Finanzverwaltung oder des Gerichts, sich zu vergewissern, dass der vom Steuerpflichtigen getragene Anteil der Kosten für diese Dienstleistungen tatsächlich den Dienstleistungen entspricht, die der Steuerpflichtige für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze in Anspruch genommen hat, wenn mehrere Leistungsempfänger im Spiel sind.

Die Frage, ob der Erwerb von Verwaltungsdienstleistungen erforderlich oder zweckmäßig war, erscheint unerheblich, da die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht von einem Kriterium der wirtschaftlichen Rentabilität des Eingangsumsatzes abhängig gemacht wird. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem soll nämlich die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von deren Zweck und deren Ergebnis gewährleisten, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen. Daher bleibt das einmal entstandene Recht auf Vorsteuerabzug bestehen, selbst wenn die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit später nicht ausgeübt wurde und somit nicht zu besteuerten Umsätzen führte oder wenn der Steuerpflichtige die Gegenstände oder Dienstleistungen, die zu dem Abzug geführt haben, aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht im Rahmen steuerpflichtiger Umsätze verwenden konnte.

Was schließlich die Beweislast betrifft, ist es Sache des Steuerpflichtigen, der einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nachzuweisen, dass er die hierfür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt. Die Steuerbehörden können somit vom Steuerpflichtigen die Belege verlangen, die ihnen für die Beurteilung der Frage notwendig erscheinen, ob der verlangte Abzug gewährt werden kann. Die Würdigung dieser Belege hat das nationale Gericht gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts anhand einer umfassenden Beurteilung aller Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

4. Relevanz für die Praxis

Zuletzt ist es in den Gerichtsverfahren eher um den Vorsteuerabzug einer Holding im Zusammenhang mit Verwaltungsdienstleistungen gegangen und weniger um den Vorsteuerabzug der Tochtergesellschaften. So hat der BFH entschieden:

Einer Holdinggesellschaft ist der Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen zu versagen, die nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit von der Holding erbrachten steuerpflichtigen Dienstleistungen, sondern mit von ihr als Gesellschafterbeitrag geschuldeten unentgeltlichen Dienstleistungen stehen, nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holding, sondern mit den Umsätzen Dritter (der Tochtergesellschaften) stehen, in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding gehören (vgl. BFH 15.2.23, XI R 24/22 [XI R 22/18] im Nachgang zu EuGH 8.9.22, C‑98/21; vgl. auch BFH 10.1.24, XI B 13/22).

Nun befasst sich der EuGH mit dem Vorsteuerabzug von Tochtergesellschaften und kommt prinzipiell zu dem Ergebnis, dass diesen der Vorsteuerabzug aus bezogenen Verwaltungsdienstleistungen zusteht, sofern nachgewiesen ist, dass diese für besteuerte Ausgangsumsätze verwendet werden. Die Beweislast liegt aber beim Unternehmen.

Der EuGH führt im Übrigen aus, dass „der vom Steuerpflichtigen getragene Anteil der Kosten für diese Dienstleistungen tatsächlich den Dienstleistungen entspricht, die der Steuerpflichtige für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze in Anspruch genommen hat.“ Insofern könnte der Vorsteuerabzug nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach zu prüfen sein. Es ist daher angebracht, Beweisvorsorge zu treffen, um im Rahmen einer Betriebsprüfung darlegen zu können, dass bzw. inwieweit die Eingangsleistungen tatsächlich für steuerpflichtige Umsätze verwendet worden sind.

Die Finanzverwaltung könnte die Ausführungen des EuGH nämlich durchaus zum Anlass für eine – betragsmäßige – Angemessenheitsprüfung des Vorsteuerabzugs nehmen, obwohl der EuGH an anderer Stelle in den Urteilsgründen ausführt, dass es unerheblich erscheint, ob der Erwerb von Verwaltungsdienstleistungen erforderlich oder zweckmäßig ist. Die Wortwahl des EuGH kann noch zu Diskussionen in Betriebsprüfungen führen, obwohl es eigentlich dem freien Dispositionsrecht eines Unternehmers obliegt, ob und wie er bezogene Dienstleistungen einsetzt und es – von Ausnahmen wie dem Repräsentationsaufwand – gerade nicht Aufgabe der Finanzverwaltung und der Gerichte ist, Ausgaben auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen.

Erfreulich ist aber die Klarstellung des EuGH, dass es unerheblich ist, wenn Verwaltungsdienstleistungen an mehrere Empfänger gleichzeitig erbracht werden.

Beachten Sie | Im angesprochenen Sachverhalt ging es um einen Fall aus Rumänien. Insofern spricht der EuGH von der Unternehmensgruppe und musste sich naturgemäß nicht mit Fragen des deutschen Organschaftsrechts befassen, das einige Besonderheiten enthält. Das heißt: Im zugrunde liegenden Fall war die Foserco SA kein Organ der Weatherford und damit ein eigenständiger Steuerpflichtiger. Wäre der Fall in Deutschland angesiedelt gewesen, hätte hingegen geprüft werden müssen, ob die Foserco SA Organgesellschaft gewesen wäre. Von Bedeutung ist insoweit das BFH-Urteil vom 11.5.23 (V R 28/20): Die wirtschaftliche Eingliederung kann nicht nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften beruhen.

AUSGABE: GStB 5/2025, S. 156 · ID: 50296649

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte