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Apr. 2025

EinkommensteuerBFH ändert Rechtsprechung zur Verteilung von Leasingsonderzahlungen bei Reisekosten

Abo-Inhalt 20.03.2025 8 Min. Lesedauer Von Prof. Dr. Stephan Peters, Hochschule für Finanzen NRW, Nordkirchen

| Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung zur Behandlung von Leasingsonderzahlungen und anderen „Vorauszahlungen“ im Rahmen der Ermittlung der tatsächlichen Kosten i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 1 EStG (Reisekosten) geändert und verlangt nunmehr, dass eine Verteilung auf die Laufzeit des Leasingvertrags vorzunehmen ist (BFH 21.11.24, VI R 9/22). |

1. Hintergrund

Wird ein im Privatvermögen geführter Pkw für eine auswärtige berufliche Tätigkeit genutzt, können die Aufwendungen nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a EStG als Werbungskosten angesetzt werden. Dabei besteht ein Wahlrecht, ob die Fahrtkosten

  • mit einer Pauschale i. H. v. 0,30 EUR/km in Ansatz gebracht werden (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 BRKG) oder
  • anstelle der Pauschale die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 2 EStG).

Sollen anstelle der Pauschale die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, bedarf es der Ermittlung eines individuellen Kilometersatzes. Maßstab sind dann die gesamten jährlichen Fahrzeugkosten (BFH 14.6.12, VI R 89/10, BStBl II 12, 835). Dabei lässt es die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen ausreichen, wenn die tatsächlichen Kosten für einen Zeitraum von 12 Monaten ermittelt werden und ausgehend von diesen Gesamtkosten ein Kilometersatz bestimmt wird, der sodann auch in den Folgejahren angesetzt werden kann, sofern sich die Verhältnisse nicht wesentlich ändern (R 9.5 Abs. 1 S. 4 EStR).

Dass Leasingsonderzahlungen im Rahmen der Gesamtkosten zu berücksichtigen sind, ist unstreitig (BFH 5.5.94, VI R 100/93, H 9.5 EStH). Bisher gingen Rechtsprechung und Finanzverwaltung davon aus, dass die Leasingsonderzahlung im Rahmen der Ermittlung der tatsächlichen Fahrzeugkosten wie Miet- und Pachtvorauszahlungen im Zeitpunkt der Zahlung (§ 11 Abs. 2 S. 1 EStG) zu berücksichtigen ist (BFH 5.5.94, VI R 100/93; BFH 15.4.10, VI R 20/08; H 9.5 EStH).

Die von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, dass der für das Jahr 2023 ermittelte Kilometersatz auf die Folgejahre übertragen werden kann (R 9.5 Abs. 1 S. 4 EStR), führte in der Vergangenheit zu einer Verzerrung und im Ergebnis zu überhöhten Kilometersätzen. Diesem Ergebnis ist der BFH nun mit einer Rechtsprechungsänderung entgegengetreten.

2. Sachverhalt

Streitig war die Höhe der tatsächlichen Fahrzeugkosten im Jahr 2019. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und nutzte für seine Außendiensttätigkeit ein privat geleastes Fahrzeug der Marke BMW, das er bereits 2018 angeschafft hatte. Die im Jahr 2018 angefallenen Gesamtkosten für das Fahrzeug betrugen 30.418,21 EUR. In diesen Gesamtkosten enthalten waren neben den laufenden Leasingzahlungen, Aufwendungen für Benzin, Versicherung und die Mitgliedschaft im ADAC u. a. auch die folgenden Aufwendungen:

Aufwendungen 2018
Leasingsonderzahlung
15.000,00 EUR
Zubehör
2.504,89 EUR
Zusatzleistungen
719,00 EUR
Reifen
1.357,31 EUR
Steuer
449,00 EUR
ADAC
109,00 EUR
Versicherung
1.252,97 EUR
Leasingraten (12 × 457,67 EUR)
5.492,04 EUR
Reifenwechsel (2 × 59,00 EUR)
118,00 EUR
Verbrauch
3.416,00 EUR
Gesamtkosten
30.418,21 EUR
Individueller Kilometersatz
0,93 EUR/km

Auf Grundlage der Gesamtkosten für das Jahr 2018 (30.418,21 EUR) ermittelte der Kläger einen individuellen Kilometersatz i. H. v. 0,93 EUR/km, den das FA für das Jahr 2018 auch anerkannte. Den für das Jahr 2018 ermittelten Kilometersatz setzte der Kläger sodann auch im vorliegend streitigen Jahr 2019 an und machte Aufwendungen nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 2 EStG i. H. v. 15.763 EUR als Werbungskosten geltend. Das FA lehnte diesen Ansatz ab, da sich die Verhältnisse im Vergleich zum Vorjahr wesentlich geändert hätten, und wandte mangels Berechnungen stattdessen den pauschalen Kilometersatz von 0,30 EUR/km an. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Das FG München (12.10.21, 2 K 667/21) entschied zugunsten des Klägers, woraufhin das FA Revision einlegte und die Verletzung materiellen Rechts rügte.

3. Entscheidungsgründe

Die Revision der Finanzverwaltung war im Kern erfolgreich. Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

In der zentralen Fragestellung der Berücksichtigung von Leasingsonderzahlungen im Rahmen der Ermittlung der tatsächlichen Aufwendungen i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 2 EStG ändert der BFH seine bisherige Rechtsprechung.

Maßgeblich ist auch weiterhin der auf die beruflichen Fahrten i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a EStG entfallende Anteil der jährlichen Gesamtkosten des Fahrzeugs, wobei vom Arbeitgeber geleistete Erstattungen die tatsächlichen Wegekosten mindern. Bei der Ermittlung der individuellen Kilometersätze sind die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen (BFH 14.6.12, VI R 89/10, BFHE 238, 55, BStBl. II 2012, 835).

Streitig war indes, wie die zu Beginn des Leasingzeitraums gezahlte Leasingsonderzahlung zu behandeln ist. Sofern es sich bei der Leasingsonderzahlung nicht um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelt, die nur in Form der AfA berücksichtigt werden können, handelt es sich nach der bisherigen Rechtsprechung um sofort abziehbare Werbungskosten. An dieser Rechtsprechung hält der BFH ausdrücklich nicht mehr fest. Bei Leasingsonderzahlungen handelt es sich um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt, das dem Zweck dient, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern. Die Leasingsonderzahlung finanziert damit auch die Nutzung des Fahrzeugs in den Folgejahren, weshalb die Leasingsonderzahlung linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen ist, sofern die Leasingsonderzahlung nach den Vertragsbedingungen die Höhe der monatlichen Leasingraten mindert.

Beachten Sie | Darüber hinaus hat der BFH entschieden, dass diese Grundsätze auch „auf andere (Voraus-)Zahlungen“ anzuwenden sind, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Beispielhaft führt der BFH insoweit die Aufwendungen „für einen weiteren Satz Reifen“ an, die nicht sofort im Jahr der Zahlung als Fahrzeugkosten zu berücksichtigen sind, sondern in Höhe der AfA in die jährlichen Gesamtaufwendungen einzubeziehen sind.

Der BFH musste die Sache an das FG zurückverweisen, da in der Vorinstanz nicht festgestellt wurde, ob das Zubehör und die Zusatzleistungen auf die Dauer des Leasingvertrags bezogen sind.

4. Relevanz für die Praxis

Mit seiner Entscheidung ändert der BFH seine bisher zu § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 2 EStG vertretene Rechtsprechung. Die Entscheidung deutete sich indes bereits nach der Entscheidung des BFH (12.3.24, VIII R 1/21) an, da der BFH für den Fall der Ermittlung der Nutzungseinlage für betriebliche Fahrten schon im vergangenen Jahr entschieden hat, dass die Leasingsonderzahlung auf die Vertragslaufzeit zu verteilen ist. Allerdings hob der BFH auch damals hervor, dass dies nur dann gelte, wenn die Leasingsonderzahlung dazu dient, die monatlichen Leasingraten während des Vertragszeitraums zu mindern. Dieses Kriterium hat der BFH nun beibehalten.

Durch die gleichmäßige Verteilung von Leasingsonderzahlungen und den sonstigen zu verteilenden Kosten bestehen keine Bedenken mit Blick auf die von der Finanzverwaltung bisher zugelassene Vereinfachungsregelung (R 9.5 Abs. 1, S. 4 EStR).

Während die Verteilung der Leasingsonderzahlungen vergleichsweise einfach ist, stellt sich im Hinblick auf den ebenfalls nur über die AfA zu berücksichtigenden „weiteren Satz Reifen“ (BFH 21.11.24, VI R 9/22, Rz. 22) die Frage, in welchem Zeitraum diese „abzuschreiben“ sind. Hier können sich Unterschiede zwischen Leasing- und Anschaffungsfällen ergeben.

Anschaffungsfall
A kauft sich einen Pkw für 50.000 EUR. Der Pkw wird im Januar mit Sommerreifen ausgeliefert. Da zum Zeitpunkt der Auslieferung Schnee liegt, kauft A für 2.000 EUR einen „weiteren Satz Reifen“ (Winterreifen) bei einem direkt neben dem Autohaus liegenden, aber vom Autohaus unabhängigen Reifenhändler, der die Autoreifen vor Verlassen des Parkplatzes sofort aufzieht. Die Aufwendungen werden vorliegend getätigt, um den Pkw in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen (§ 255 Abs. 1 S. 1 HGB) bzw. nachträgliche Anschaffungskosten, die die AfA-BMG für den Pkw erhöhen, da der Pkw bei winterlichen Verhältnissen nur mit Reifen gefahren werden darf, die mit dem Alpin-Symbol gekennzeichnet sind (§ 2 Abs. 3a StVO, § 36 Abs. 4 StVZO).
Anschaffungskosten
50.000 EUR
Weiterer Satz Reifen (Winterreifen)
+ 2.000 EUR
AfA-BMG
52.000 EUR
AfA ND sechs Jahre: 1/6
8.666 EUR

Im Leasingfall fehlt es jedoch an der Anschaffung des Fahrzeugs und somit auch an Anschaffungskosten. Die Behandlung des weiteren Satzes Reifen als GWG i. S. v. § 6 Abs. 2 S. 1 EStG scheitert in beiden Konstellationen (Anschaffungs- und Leasingfall) an der fehlenden „selbstständigen Nutzung“ und würde auch dem Sinn und Zweck der periodengerechten Aufteilung im Rahmen von § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a EStG widersprechen.

Beachten Sie | In den vom BMF veröffentlichten AfA-Tabellen fehlt es an einer Angabe zu Reifen und Felgen. Im Grundsatz wäre hier m. E. zu differenzieren zwischen der Nutzungsdauer für den Reifen und die Felgen. Für Reifen müsste eine betriebliche Nutzungsdauer bestimmt werden.

Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Rechtsprechungsänderung und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der Ermittlung der individuellen Kilometersätze aus Sicht der Finanzverwaltung um ein Massenverfahren handelt, und unter Berücksichtigung der Vereinfachungsregelung (R 9.5 Abs. 1 S. 4 EStR) erscheint eine Verteilung der Vorauszahlungen auf den Zeitraum der Leasingvertragslaufzeit angemessen. In diesem Fall wäre dann keine „klassische AfA“ für Felgen und Reifen zu ermitteln, sondern die bisher sofort zu berücksichtigenden Aufwendungen für Felgen und Reifen sind nunmehr auf die Dauer des Leasingvertrags zu verteilen.

Leasingfall
A least ab Januar 2025 einen Pkw für 1.000 EUR monatlich, der mit Sommerreifen ausgeliefert wird. Zusätzlich leistet A eine Leasingsonderzahlung i. H. v. 10.000 EUR, wodurch die monatliche Rate während der Leasingvertragslaufzeit von 24 Monaten deutlich reduziert wird. Da zum Zeitpunkt der Auslieferung Schnee liegt, kauft A für 2.000 EUR einen „weiteren Satz Reifen“ (Winterreifen) bei einem direkt neben dem Autohaus liegenden, aber vom Autohaus unabhängigen Reifenhändler, der die Autoreifen vor Verlassen des Parkplatzes sofort aufzieht. Die Aufwendungen werden vorliegend getätigt, da der Pkw bei winterlichen Verhältnissen nur mit Reifen gefahren werden darf, die mit dem Alpin-Symbol gekennzeichnet sind (§ 2 Abs. 3a StVO, § 36 Abs. 4 StVZO). Da Felgen und Reifen in der Regel nur für bestimmte Fahrzeugtypen zugelassen sind, kann die im Rahmen der Ermittlung der Gesamtkosten nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a EStG zu ermittelnde Gesamtkosten eine Aufteilung auf die Leasingvertragslaufzeit erfolgen, wenn nicht im Einzelfall Gründe für eine geringere Nutzungsdauer vorliegen.
Leasingzahlungen
12.000 EUR
Leasingsonderzahlung (nach neuer Rechtsprechung aufzuteilen, hier auf die Leasingvertragslaufzeit von zwei Jahren)
+ 5.000 EUR
Weiterer Satz Reifen (Winterreifen)
AfA (BFH 21.11.24, VI R 9/22)
ND 2 Jahre = 1/2 × 2.000 EUR = 1.000 EUR
+ 1.000 EUR
Kosten in 2025
18.000 EUR
Diese Kosten i. H. v. 18.000 EUR zzgl. der weiteren laufenden Kosten für 2025 kann der Steuerpflichtige zur Ermittlung des individuellen Kilometersatzes berücksichtigen.

Neben der AfA oder den Leasingraten, den Leasingsonderzahlungen und den Kosten für einen weiteren Satz Reifen können im Rahmen der Gesamtkosten des Fahrzeugs die folgenden Aufwendungen berücksichtigt werden:

  • Kosten für Betriebsstoffe
  • Kosten für Wartung und Reparaturen
  • Regelmäßig wiederkehrende Kosten (Haftpflichtversicherung, Kfz-Steuer)
  • Garagenmiete am Wohnort (H 9.5)

Nicht im Rahmen der Gesamtkosten zu berücksichtigen sind:

  • Kosten im Rahmen von Verkehrsunfällen
  • Park- und Straßennutzungsgebühren
  • Verwarnungs- und Ordnungsgelder, Bußgelder (vgl. R 4.13)

Hinsichtlich der letztgenannten Aufwendungen ist zu prüfen, ob diese als Reisenebenkosten abziehbar sind (H 9.8).

Fazit | Der BFH hat mit der Rechtsprechungsänderung zunächst nur die Berechnungsgrundlagen für den individuellen Kilometersatz nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a EStG modifiziert und seine bisher geltende Rechtsprechung geändert, was im Einzelfall indes zu großen Veränderungen führen kann. Die neue Rechtsauffassung vereinfacht die Anwendung der Vereinfachungsregelung (R 9.5 Abs. 1, S. 4 EStR) und vermeidet Diskussionen, wann sich die zugrunde gelegten Verhältnisse wesentlich geändert haben (bspw. aufgrund veränderter Leasingraten). Abzuwarten bleibt, wie sich die Finanzverwaltung zur Verteilung der sonstigen Kosten positionieren wird.

AUSGABE: PFB 4/2025, S. 98 · ID: 50290314

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