Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Login
FeedbackAbschluss-Umfrage
März 2025

Aufgabenbereiche im Nachhaltigkeitsmanagement Zum Berufsbild des Nachhaltigkeitsmanagers: „Ein Job, sechs Unternehmensbereiche“

LeseprobeAbo-Inhalt04.09.202565 Min. LesedauerVon Alexandra Buba im Interview mit Paul Endres, Head of Green Business beim Personaldienstleister Hays, Mannheim

| Das Berufsbild der Nachhaltigkeitsmanagerinnen und -manager ist im Wandel, längst hat sich speziell bei größeren Unternehmen eine Querschnittsfunktion herausgebildet. Paul Endres, Head of Green Business beim Personaldienstleister Hays, hat einen detaillierten Einblick in die Profile, die Unternehmen heute brauchen und interessieren. Da kommt es auch mal vor, dass der Job des Nachhaltigkeitsmanagers in sechs Unternehmensbereiche hineinspielt. Im Interview mit Alexandra Buba zeichnet Endres ein Berufsbild, das zunehmend aus Querschnittsaufgaben besteht. |

Frage: Herr Endres, gibt es so etwas wie ein typisches Berufsbild für Nachhaltigkeitsmanager?

Antwort: Tatsächlich nicht, die Betreffenden arbeiten heute in ganz unterschiedlichen Bereichen, angefangen von der Industrie über die Wissenschaft und Beratung bis hin zu NGOs. Wenn man auf die großen Unternehmen blickt, so stellt man fest, dass sich aus der Einzelrolle längst eine Querschnittsdisziplin entwickelt hat. Das bedeutet, dass der Nachhaltigkeitsmanager von heute jemand ist, der die Aufgaben aus mehreren unterschiedlichen Unternehmensbereichen managt.

Frage: Auf welchen Ebenen sehen Sie hier Schwerpunkte?

Antwort: Derzeit definitiv noch im Reporting. DAX-Unternehmen beschäftigen Teams allein für diese Aufgabe, die 50 Mitarbeitende umfassen. Ich sage bewusst „derzeit“, denn die Idee ist, dass dies künftig deutlich stärker automatisiert ablaufen wird und einen Bruchteil der Ressourcen von heute beanspruchen wird.

Angesiedelt sind diese Teams meist in der Nachhaltigkeitsabteilung, inzwischen aber auch vielfach im Controlling. Die Unternehmen verschieben die Governance dorthin, da das Reporting Teil des Jahresberichts ist, wenngleich es auch um die Erhebung nicht-finanzieller Kennzahlen geht. Das Aufgabenspektrum reicht demzufolge vom reinen Datensammeln bis zum klassischen Controllingjob.

Frage: In welchen Unternehmensbereichen haben die großen Unternehmen inzwischen noch Sustainability-Spezialisten angesiedelt?

Antwort: Neuerdings immer öfter im Bereich des Risikomanagements. Hier sind die mit Sustainability-Aspekten verbundenen Risiken inzwischen Teil des Gesamtspektrums. Personell sind es in der Regel klassische Risikomanager, die mit dieser Aufgabe betraut werden. Inhaltlich geht es im nachhaltigkeitsbezogenen Risikomanagement aktuell vor allem um das Klimarisikomanagement.

Die Tatsache, dass Wetterereignisse massiv die Geschäftstätigkeit und bei Aktiengesellschaften ganz unmittelbar den Börsenwert beeinflussen können, haben wir in diesem Sommer bei einem renommierten deutschen Automobilhersteller gesehen. Sein Aktienkurs ging auf Talfahrt, nachdem ein Lieferant von Überschwemmungen betroffen gewesen und die Lieferkette zusammengebrochen war. Solche Thematiken finden Niederschlag in einem Risikomanagement, das die Folgen des Klimawandels mit berücksichtigt.

Frage: Welche Kompetenzen brauchen Mitarbeitende in diesem Bereich?

Antwort: Man kann das Thema aus naturwissenschaftlicher Perspektive angehen – etwa indem man Experten aus der Klimaforschung in die Industrie holt, zum Beispiel eine Forscherin, die Klimamodelle entwickelt. Ebenso lässt es sich betriebswirtschaftlich betrachten: Ausgangspunkt sind dann die Lieferketten, von denen aus die Risiken analysiert und beziffert werden.

Wir haben aber noch andere Bereiche, in denen Sustainability-Experten Rollen in großen Unternehmen finden, etwa im Produktmanagement, in der Strategie, im Portfoliomanagement. Das hängt damit zusammen, dass die DAX-Unternehmen Sustainability schon länger nicht mehr nur als Compliance-, sondern als Strategiethema betrachten. Ein weiterer Bereich ist die operative Umsetzung der verabschiedeten Maßnahmen, etwa im Energie- und Umweltmanagement. Auch dafür holen sich die Unternehmen wieder Spezialisten, Ingenieure und Fachkräfte mit technischem Hintergrund.

Frage: Sie sind noch nicht am Ende Ihrer Aufzählung …?

Antwort: Nein, es gibt als fünften Bereich den sozialen Aspekt, der häufig noch einmal separat betrachtet und bearbeitet wird. Großbanken lassen z. B. ganze Abteilungen überlegen, inwiefern ihre Geschäftstätigkeit sozialen Impact schafft. In der Umsetzung geht es dann um so etwas wie Corporate Volunteering, die Unterstützung von Social Entrepreneurship oder Diversity-Maßnahmen.

Ein weiterer, wichtiger Bereich ist die Nachhaltigkeit im Einkauf. Die Spezialisten beschäftigen sich hier mit der Nachhaltigkeit der Lieferanten, also bspw. den Scope 3-Emissionen, die in der vorgelagerten Wertschöpfungskette entstehen. Um den eigenen Berichtspflichten nachzukommen, erheben vor allem börsennotierte Unternehmen inzwischen viele Nachhaltigkeitsdaten von ihren Lieferanten und erwarten dabei immer öfter auch eine gewisse Nachhaltigkeits-Performance von ihren Zulieferern.

Frage: Wie groß ist Ihrer Einschätzung nach der Anteil der Unternehmen, der Sustainability bereits strategisch verankert hat?

Antwort: Laut unserer „Hays Green Business Studie“ aus dem vergangenen Jahr haben rund 80 % der befragten 780 Unternehmen Nachhaltigkeitsziele in ihre strategischen Ziele integriert. Gerade bei KMU ist die Situation sehr heterogen – oft gibt es noch den typischen Fall, dass eine Person all diese Rollen in Personalunion innehat und als Botschafter die Themen ins Unternehmen trägt.

Frage: Worauf sollten diese Einzelkämpfenden Ihrer Ansicht nach achten?

Antwort: Es macht auf jeden Fall Sinn, alle in der Firma in das Onboarding mitzunehmen. Die Leute, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen und in diesem Bereich arbeiten, tun dies oft aus idealistischen Gründen. Deshalb ist es aus Sicht der Unternehmensleitung wichtig, diese Funktion strategisch aufzuhängen und nicht nur auf das Reporting zu beschränken. Es geht darum, von dem Gedanken „Wir machen jetzt was Grünes“ weg und hin zu der Überzeugung zu gelangen, dass Sustainability künftig jeden Tag Auswirkungen auf das Kerngeschäft haben wird. Aus dieser Perspektive heraus schafft man nicht nur Commitment bei den Mitarbeitenden, indem der Bezug der eigenen Tätigkeit zu einem gesellschaftlichen Beitrag klarer wird. Man versetzt das Unternehmen auch in die Lage, auf der Umsatzseite von den Chancen zu profitieren, die mit nachhaltigen Geschäftsmodellen verbunden sind.

Frage: Welche Entwicklung erwarten Sie für die Zukunft?

Antwort: Bislang war das Ziel vor allem, Negatives zu vermeiden. Schon jetzt und künftig noch mehr wird Anpassung eine immer größere Rolle spielen, in der Form, wie wir sie schon für das Risikomanagement besprochen haben. Das Reporting wird sich vereinfachen, insbesondere durch Automatisierung und KI, aber auch deshalb, weil viele Datenerhebungen mit Routinen unterlegt sind, andere nur einmalig angefallen sind. Es wird in der Zukunft hauptsächlich darum gehen, diesen Datenfluss zu überwachen.

Als neue inhaltliche Aspekte glaube ich, dass Themen wie Biodiversität oder Circular Economy eine größere Rolle spielen werden. Der Blickwinkel wird sich vom aktuell starken Fokus auf die CO2-Emissionen auf weitere kritische planetare Grundlagen und nachhaltige Ressourcenkreisläufe weiten, auch um in einer Welt, die sich wieder stärker lokalisiert, für resiliente Wertschöpfungsketten zu sorgen.

Frage: Spielt der aktuelle, vornehmlich von den USA, forcierte Backlash in der Praxis eine wesentliche Rolle?

Antwort: Bei diesem Thema lässt sich Widersprüchliches beobachten: Auf der einen Seite gibt es diesen starken Backlash in den USA und in Europa, eine generelle Tendenz zur Deregulierung. Das führt zu Verunsicherung, da insbesondere die großen Unternehmen Planungssicherheit wollen. Auf der anderen Seite stehen riesige Förderbudgets für nachhaltige Investitionen bereit – die Sondervermögen bereiten den Weg für die grüne Transformation und ich wüsste keinen Grund, warum Unternehmen darauf verzichten sollten.

Zum Interviewpartner | Paul Endres leitet bei Hays den Geschäftsbereich Green Business. Dieser bündelt industrie- und fachbereichsübergreifend die Vermittlung von ExpertInnen für die grüne Transformation, um Unternehmen bei ihren spezifischen Nachhaltigkeitschancen und -herausforderungen zu unterstützen. Die Hays-Unternehmensgruppe ist Experte für die Rekrutierung von qualifizierten, professionellen und qualifizierten Mitarbeitern weltweit und beschreibt sich selbst als Marktführer in Großbritannien, Deutschland und Australien. Hays ist sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor tätig und bietet Festanstellungen, Vertragsrollen und befristete Einsätze an (www.hays.de).

AUSGABE: PN 3/2025, S. 106 · ID: 50487355

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025
Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Praxiswissen auf den Punkt gebracht

Bildrechte