PStR-KongressIWW-Kongress „Praxis Steuerstrafrecht“ am 22.11.24 in Düsseldorf setzt Impulse
| Ein trister Novembertag in Düsseldorf, doch die Atmosphäre im Tagungssaal hätte nicht lebendiger sein können: Auch dieses Jahr versammelten sich Fachleute aus Recht und Steuern zum traditionsreichen PStR-Kongress. Unter der souveränen Leitung des Präsidenten des OLG Hamburg, Dr. Tully, bot die Veranstaltung erneut eine Mischung aus wissenschaftlicher Tiefe und praxisnaher Diskussion. Hier ein Blick auf die Highlights: |
Inhaltsverzeichnis
- 1. BGH-Rechtsprechung: Präzision und Weitblick
- 2. Virtuelle Schäden und reales Kopfzerbrechen
- 3. Umsatzsteuer, Selbstanzeigen und E-Invoicing
- 4. Unternehmensselbstanzeige: Stolperfallen und Spielräume
- 5. Geldwäschebekämpfung: ein Wirrwarr von Zuständigkeiten
- 6. Außenprüfung: wenn Theorie auf Praxis trifft
- 7. Ein Fazit mit Ausblick
1. BGH-Rechtsprechung: Präzision und Weitblick
Den Auftakt machte VRiBGH Prof. Jäger mit einer Analyse der jüngsten Entwicklungen der BGH-Rechtsprechung des ersten Steuerstrafsenats. Der Fokus lag auf der Umsatzsteuerhinterziehung, insbesondere beim Ausstellen von Scheinrechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer. Die klare Botschaft: Verstöße nach § 14c Abs. 2 S. 2 UStG stellen eine vollendete Steuerhinterziehung dar.
Prof. Jäger nahm auch zu den spezifischen Problemen der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung/Betriebsvermögensvergleich im Steuerstrafrecht Stellung. Er monierte mehrfach, dass die LGe bei der Abfassung der Urteilsgründe häufig unsauber arbeiten würden, z. B. im Hinblick auf die Aufklärung des Sachverhalts und der abzuleitenden strafrechtlichen Konsequenzen nebst erforderlichen dezidierten nachvollziehbaren Steuerschadensberechnungen.
Er ging ferner auf die Besonderheiten der Schätzung im Steuerstrafverfahren ein im Hinblick auf die unterschiedlichen Methoden (innerer Betriebsvermögensvergleich, Vermögenszuwachsrechnung, Geldverkehrsrechnung, äußerer Betriebsvergleich, Richtsatzschätzungen). Er stellte heraus, dass es eine originäre Schätzungsbefugnis der Tatsacheninstanz gibt. Diese muss die Anwendung von Schätzungsmethoden und deren Anwendung im konkreten Einzelfall sauber und nachvollziehbar herausarbeiten, sodass der BGH die Entscheidungen bei eklatanten Fehlern aufheben kann.
Ein weiteres spannendes Thema war die Strafzumessung und der Anwendungsbereich der besonders schweren Steuerhinterziehung. Die klare Linie: Ab einer hinterzogenen Summe von einer Million EUR wird es für Bewährungsstrafen eng – es sei denn, es liegen außergewöhnliche Milderungsgründe vor. Täter mit Wiederholungsabsichten können sich auf strengere Urteile einstellen. D. h., es wird wegen einer negativen Prognoseentscheidung möglicherweise keine Bewährungsstrafe mehr in Betracht kommen.
Ferner ging er auf die Besonderheiten bei der Saldierung von Umsatzsteuerschäden (Umsatzsteuerjahreserklärung versus Umsatzsteuervoranmeldung) ein, z. B. bei USt-Karussellgeschäften auf die Einziehungskonsequenzen, insbesondere die Definition der unbestimmten Tatbestandsmerkmale „etwas Erlangtes“ bzw. „ersparte Aufwendungen“ bzw. „beim Täter erlangten Vermögensvorteil“. Er räumte ein, dass dies in der Praxis zu erheblichen Anwendungsproblemen führt.
Am Ende seines Vortrags behandelte Prof. Jäger noch die Cum/Ex-Fälle und stellte klar, dass nach den bisherigen Fallkonstellationen (mit dem missbräuchlichen Ausweis von Steuerbescheinigungen) nun in der künftigen BGH-Rechtsprechung die Fälle von Cum/Ex-Fällen mit Leerverkäufen ein Schwerpunkt sein werden.
2. Virtuelle Schäden und reales Kopfzerbrechen
Die digitale Welt macht auch vor dem Steuerstrafrecht nicht Halt. RA Dr. Wulf ging in seinem Vortrag auf die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung in Fällen virtueller Steuerschäden ein. Er stellte heraus, dass es sich bei § 370 AO um ein Gefährdungsdelikt handelt. Unrichtige/unvollständige Angaben bzw. Erlangung von Steuervorteilen würden somit bereits im Vorfeld den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen. Anhand anschaulicher Fallstudien wurden die Teilnehmer durch die komplexen Verästelungen bei der Strafzumessung (der Verjährung, Einziehung steuerliche Nebenfolgen, z. B. Haftung nach § 71 AO, Zinsen) geführt.
Ferner behandelte Dr. Wulf die Besonderheiten der Schadenberechnung bei Umsatzsteuerkarussellen und stellte heraus, dass bei einer Anwendung der kumulierten Haftungstatbestände in Fällen von USt-Kettenhinterziehung das FA in komplexen Einzelfällen über den tatsächlich entstandenen Schaden hinaus überproportional begünstigt werden kann. Auf dieses Momentum sollte ggf. von den involvierten Beratern gegenüber den Finanzbehörden/Gerichten prononciert hingewiesen werden (insbesondere bei Haftungsbescheiden nach § 71 AO).
3. Umsatzsteuer, Selbstanzeigen und E-Invoicing
StB RAin Beneke behandelte spezifische Fragen des Umsatzsteuerrechts und Steuerstrafrechts. Dabei ging sie schwerpunktmäßig auf Anwendungsfragen des Kompensationsverbots und Problemen bei Selbstanzeigen ein. Das Verhältnis von Umsatzsteuervoranmeldungen/USt-Jahreserklärung wurde behandelt. Bei zweifelhaften Zinsbescheiden, insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen eines (bedingten) Vorsatzes, sollten ggf. Rechtsbehelfe eingelegt werden. Abschließend ging sie auf die Auswirkungen des E-Invoicings ab dem 1.1.25 durch das Wachstumschancengesetz für alle Unternehmen ein.
4. Unternehmensselbstanzeige: Stolperfallen und Spielräume
RA Schiml behandelte die spezifischen Probleme der Unternehmensselbstanzeige im Steuerstrafrecht. Er ging auf die Abgrenzungsfragen der Nachmeldung (§ 153 AO) versus Selbstanzeige (§ 370 AO) ein. Er stellte klar, dass in seiner Beratungspraxis eine Nachmeldung nach § 153 AO so formuliert werden sollte, dass sie inzidenter auch die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige erfüllt, da die Abgrenzungsfragen schwierig sind und divergierende Interpretationen zwischen dem Steuerpflichtigen/Berater einerseits und dem FA andererseits auftreten können. Als Red Flags und spezifische Sonderfälle wurden die Fallgruppen Nichtabgabe von Steuererklärungen, nicht umgesetzte zutreffende Feststellungen der Betriebsprüfung in der Vergangenheit sowie wiederholte Korrekturen behandelt.
5. Geldwäschebekämpfung: ein Wirrwarr von Zuständigkeiten
Im Praktiker-Forum gingen in einem Co-Referat RAin Dr. Krause-Ablaß/RA Dr. Schwartz auf die spezifischen Probleme der Geldwäschebekämpfung ein. Sie stellten klar, dass es ein ziemliches Wirrwarr bei den unterschiedlichen Kompetenzen von Behörden gibt, das sich als evidenter Schwachpunkt bei der effektiven Bekämpfung von Finanzkriminalität erwiesen hat. Die schlechte Kommunikation und Zusammenarbeit der Behörden untereinander und die zersplitterten Zuständigkeiten erschweren die Aufarbeitung konkreter Einzelfälle. Deshalb wird daran gearbeitet, die Behörden schlagfertiger auszugestalten und die Zusammenarbeit zu verbessern. Dabei sind die Kompetenzen von europäischen Behörden, Bundesbehörden, Landesbehörden (aufgrund der föderalistischen Struktur Deutschlands) zu beachten. Am Ende wurde der Tatbestand der Geldwäsche dogmatisch dargestellt. Es müsse konstatiert werden, dass in der bisherigen Rechtspraxis die Vortat der Steuerhinterziehungspraxis bisher kaum eine Rolle spielte.
6. Außenprüfung: wenn Theorie auf Praxis trifft
Das letzte Praktiker-Forum bestehend aus LRD Dr. Webel (Finanzbehörde Hamburg) und StB/RA Hammes referierten über die steuer(straf-)rechtlichen Gesichtspunkte rund um die Außenprüfung. Dabei wurden die Definitionen der Aufgabenbereiche und Schnittmengen zwischen der Außenprüfung und der Steuerfahndung herausgearbeitet. Die besondere Zwitterstellung der Steuerfahndung als Schnittstelle zwischen Steuer- und Strafverfahren wurde anschaulich dargestellt. Einzelfragen der Anordnung, Zulässigkeit und Prüfungsumfang der Außenprüfung wurden erörtert. Ein wichtiger Aspekt sind die Verteidigungsansätze nach Außenprüfung mit erheblicher Hinzuschätzung. Dabei wurden die gängigen Schätzungsmethoden (äußerer bzw. innerer Betriebsvergleich, Nachkalkulation, Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung) dargestellt. Zu den praxisbezogenen Highlights wurde die Bedeutung der Richtsatzsammlung des BMF, deren Aussagekraft inzwischen vom BFH zurzeit überprüft wird, problematisiert.
7. Ein Fazit mit Ausblick
Die praxisbezogene Tagung bot einen ausgezeichneten Überblick über die Entwicklungen im Steuerstrafrecht der vergangenen zwölf Monate. Sie stellte für Angehörige der rechts- und steuerberatende Berufe eine nahezu einzigartige Möglichkeit dar, sich an einem Tag über alles Wesentliche zu informieren. Hochkarätige Vorträge, angeregte Diskussionen und exzellente Tagungsunterlagen machten den Tag zu einem Highlight für alle Teilnehmenden. Der nächste Kongress wird am 21.11.25 stattfinden. Man darf gespannt sein – bis dahin bleibt nur zu sagen: Auf ein Neues!
Ausgabe: 2/2025, S. 39 · ID: 50251305
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