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VertragsarztrechtPraxisbesonderheiten in der Wirtschaftlichkeitsprüfung – „Dos and Don‘ts“

Abo-Inhalt 09.04.2024 3 Min. Lesedauer Von Rechtsanwältin Meike Schmucker, LL.M., Münster, voss-medizinrecht.de

| Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat im November 2023 im Fall einer Wirtschaftlichkeitsprüfung wegen einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens entschieden. Dieses Urteil ist besonders hilfreich, weil es ausdrückliche Hinweise enthält, was arztseitig sinnvollerweise im Fall eines Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens vorgetragen werden sollte (Urteil vom 15.11.2023, Az. L 5 KA 3043/21). |

Der Fall

Eine hausärztliche Praxis mit dem Schwerpunkt im Bereich Palliativmedizin, Geriatrie und Gerontopsychiatrie hatte das Richtgrößenvolumen für Arznei- und Verbandmittel um rd. 28 Prozent überschritten. Die Prüfungsstelle kam zu dem Schluss, dass die Abrechnung insofern unwirtschaftlich war und setzte als Konsequenz zwar keinen Regress fest, ordnete aber eine individuelle Beratung der Praxis an. Damit folgte die Prüfungsstelle dem Grundsatz „Beratung vor Regress“, der bei statistischen Wirtschaftlichkeitsprüfungen üblich ist, wenn erstmalig eine Auffälligkeit vorliegt.

Die hausärztliche Praxis legte zunächst Widerspruch und sodann Klage gegen die Entscheidung der Prüfungsgremien ein. Damit hatte die Praxis jedoch im Ergebnis keinen Erfolg, weil im Widerspruchs- und Klageverfahren keine Praxisbesonderheiten dargelegt werden konnten.

Praxisbesonderheiten

Stellt die Prüfungsstelle Anzeichen für eine unwirtschaftliche Abrechnung fest, kann der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit nicht mit der Erklärung widerlegt werden, besser und sorgfältiger als Kollegen zu arbeiten. Eine Entlastung ist nur durch den Vortrag von

  • kompensatorischen Einsparungen, d. h., ein Mehraufwand, der mit einem Minderaufwand bei anderen Leistungen im ursächlichen Zusammenhang steht, oder
  • Praxisbesonderheiten möglich.
Merke | Praxisbesonderheiten begründen einen spezifischen, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichenden Behandlungsbedarf des Patientenklientels (Morbiditätsstruktur), welcher die spezifischen Mehrkosten hervorgerufen hat.

In einem Prüfverfahren geht es arztseitig also immer darum, die speziellen atypischen Umstände der betroffenen Praxis darzulegen. Zwar müssen die Prüfungsgremien auch von Amts wegen prüfen, ob Praxisbesonderheiten vorliegen, wenn Hinweise hierfür erkennbar sind (siehe AAA 04/2024, Seite 14). Die Darlegungs- und Beweislast für die Praxisbesonderheiten, also für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände, obliegt aber der betroffenen Praxis.

Nur wenn es der Praxis gelingt, diese Umstände nachzuweisen, kann sie sich letztlich vom Vorwurf der unwirtschaftlichen Leistungserbringung entlasten und somit potenzielle Rückzahlungen vermeiden.

Letztinstanzliches LSG Urteil mit Dos and Don‘ts

Das LSG Baden-Württemberg führte letztinstanzlich aus, was typischerweise beachtet werden sollte, um sich als Arztpraxis im Verfahren argumentativ zielführend aufzustellen. Diese Knackpunkte lassen sich in fünf positiv und drei negativ formulierten Empfehlungen zusammenfassen („Dos and Don‘ts):

Dos:

  • 1. Die Patientenschaft und deren Erkrankungen sollten systematisiert werden (bspw. durch Zuordnung nach schwerpunktmäßig behandelten Erkrankungen).
  • 2. Es sollte mitgeteilt werden, wie sich das Patientenklientel danach prozentual verteilt und welcher konkrete Aufwand von Behandlungen und Arzneimitteln durchschnittlich für die spezifische Therapie erforderlich ist.
  • 3. Es sollten in diesem Kontext alle Umstände von der Praxis systematisiert dargestellt werden, welche die Prüfungsstelle nicht erkennen kann, weil sie sich nicht aus den Verordnungs-/Abrechnungsdaten ergeben.
  • 4. Es bietet sich eine tabellarische Abbildung an, die für die Prüfungsstelle gut nachvollziehbar ist und eine effiziente Bewertung zugunsten des Arztes ermöglicht.
  • 5. Viele Praxisverwaltungssysteme (PVS) ermöglichen eine umfassende und strukturierte Auswertung der Abrechnungsdaten, die für eine systematisierte Darstellung im Prüfverfahren genutzt werden können.

Don‘ts:

  • 1. Nicht (unkonkret) abstellen auf das bloße „Mehr“ von fachgruppentypischen Leistungen.
  • 2. Keine bloße Auflistung von Behandlungsfällen mit Diagnosen/Verordnungsdaten.
  • 3. Nicht erst in einem gerichtlichen Verfahren die Nachweise für die Atypik der Praxis vorbringen, sondern rechtzeitig. Diese Umstände sollten bereits im behördlichen Verfahren beim Prüfungs- bzw. Beschwerdeausschuss (also spätestens im Widerspruchsverfahren) geltend gemacht werden.
Weiterführende Hinweise

Ausgabe: 5/2024, S. 8 · ID: 49898293

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