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NachhaltigkeitWie sich ESG über die Finanzwirtschaft auf Planungsbüros auswirkt (Teil 2): EU-Taxonomie

Abo-Inhalt 30.09.2024 8 Min. Lesedauer Von Lena Rath, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau und Architektenrecht, Kelkheim (Taunus)

| In einer mehrteiligen Reihe erläutert Ihnen PBP, was ESG-konformes Planen und Bauen konkret bedeutet. Nachdem Sie der erste Teil in die übergeordneten Rahmenbedingungen von ESG eingeführt und grundlegende Fachbegriffe erläutert hat, fokussiert der zweite Teil auf die spezifischen Anforderungen der EU-Taxonomie für den Bau- und Immobiliensektor. Was genau ist erforderlich, damit ein Bauprojekt taxonomiekonform ist? |

Die EU-Taxonomie – ein Klassifizierungssystem

Wie erinnern uns: Die EU-Taxonomie bietet mit den sechs Umweltzielen den Bezugsrahmen für die Nachhaltigkeitsbeurteilung von Wirtschaftstätigkeiten. Diese sind

  • der Klimaschutz,
  • die Anpassung an den Klimawandel,
  • die nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,
  • der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
  • die Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung sowie
  • der Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen und Biodiversität.

Damit eine Wirtschaftstätigkeit taxonomiekonform – also nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie – ist, muss sie drei übergeordnete Anforderungen erfüllen:

  • Sie muss mindestens zu einem der sechs Umweltziele einen wesentlichen Beitrag leisten („Substantial Contribution“/SC-Prinzip).
  • Sie darf nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der anderen Umweltziele führen („Do No Signifikant Harm“/DNHS-Prinzip).
  • Sie muss gewisse soziale Mindeststandards wahren.

Woraus ergibt sich ein konkreter Beurteilungsmaßstab?

Die EU-Taxonomie-Verordnung selbst enthält nur abstrakte Kriterien zur Bestimmung des „wesentlichen Beitrags“ und steckt einen allgemeinen Rahmen ab. Hinsichtlich des ersten Umweltziels (Klimaschutz) ist z. B. von einem wesentlichen Beitrag auszugehen, wenn die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau stabilisiert, Treibhausgasemissionen vermieden oder verringert oder die Speicherung von Treibhausgasen verstärkt werden, auch durch Prozess- oder Produktinnovationen. Insofern verweist die Verordnung auf die Erzeugung, Übertragung, Speicherung, Verteilung oder Nutzung erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz.

Delegierte Verordnungen definieren konkrete Anforderungen

Zur Ergänzung der EU-Taxonomie-Verordnung hat die Europäische Kommission delegierte Rechtsakte erlassen, um technische Bewertungskriterien festzulegen. Anhand dieser wird zum einen bestimmt, ob eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag z. B. zum Umweltziel Klimaschutz leistet. Aber auch der zweite Aspekt, das DNSH-Prinzip ist Gegenstand dieser delegierten Rechtsakte. So ist anhand der aufgestellten technischen Bewertungskriterien gleichsam zu beurteilen, ob durch die Wirtschaftstätigkeit die anderen nicht aktiv verfolgten Ziele erheblich beeinträchtigt werden.

Nachdem sich die EU-Kommission zunächst auf die Wirtschaftstätigkeiten konzentriert hat, die das größte Potenzial zur Vermeidung oder Verringerung von Treibhausgasemissionen oder zum Abbau von Treibhausgasen haben, gibt es mittlerweile Delegierte Verordnungen für alle sechs Umweltziele. Somit sind technische Bewertungskriterien nicht nur für die ersten beiden klimabezogenen, sondern auch für die vier weiteren, nicht-klimabezogenen Umweltziele formuliert.

Die Anforderungen an den Bau- und Immobiliensektor

Im Bau- und Immobiliensektor werden folgende Aktivitäten von der EU-Taxonomie betrachtet. Diese sind

  • der Neubau,
  • die Renovierung von Gebäuden,
  • individuelle Maßnahmen und professionelle Dienstleistungen sowie
  • der Erwerb und das Eigentum von Immobilien.

Beispiel: Wesentlicher Beitrag zum Ersten Umweltziel Klimaschutz

Für das Baugewerbe und Immobilien bestimmt Anhang I der Delegierten Verordnung 2021/2139 unter Kapitel 7.1 für ein Neubauvorhaben zum Umweltziel Klimaschutz, dass der Jahres-Primärenergiebedarf (PEB) mindestens zehn Prozent unter den Anforderungen für Niedrigstenergiegebäude nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) liegen muss.

Für Gebäude mit einer Fläche von mehr als 5000 m2 gelten weitere Anforderungen: Zum einen muss das Gebäude nach Fertigstellung auf Luftdichtheit und thermische Integrität geprüft werden. Eventuelle Abweichungen von den in der Planungsphase festgelegten Leistungsniveaus oder Mängel an der Gebäudehülle müssen dem Kunden gegenüber offengelegt werden. Alternativ sind eigene Qualitätsprüfungen während des Bauprozesses erlaubt. Außerdem ist bei Gebäuden mit einer Fläche von mehr als 5000 m2 das Treibhauspotenzial des errichteten Gebäudes für jede Phase im Lebenszyklus zu berechnen und gegenüber dem Kunden auf Anfrage offenzulegen.

Bei Sanierungsmaßnahmen muss nach Kapitel 7.2 des Anhangs I der Delegierten Verordnung 2021/2139 entweder die Einstufung des Begriffs „größere Renovierung“ nach dem GEG erfüllt sein oder – alternativ – die Maßnahme zu einer Verringerung des Primärenergiebedarfs um mindestens 30 Prozent führen.

DNSH-Kriterien sind gleichzeitig einzuhalten

Wird mit dem Bauvorhaben ein wesentlicher Beitrag zur Umsetzung eines Umweltziels geleistet, ist überdies nachzuweisen, dass die anderen Umweltziele durch die Maßnahme nicht beeinträchtigt werden. Diesbezüglich wurden ebenfalls technische Bewertungskriterien festgelegt, die einzuhalten sind. Der sich daraus ergebende Aufwand ist nicht zu unterschätzen.

Gehen wir von einem Neubau und der Umsetzung des ersten Umweltziels (Klimaschutz) aus: Während der wesentliche Beitrag bei Gebäuden ( 5000 m2) in dem Unterschreiten des Schwellenwerts zum PEB besteht, sind hinsichtlich der verbleibenden fünf Umweltziele eine Vielzahl von Kriterien zu beachten. Die folgende Auflistung macht deutlich, dass es nicht ausreicht, sich auf lediglich einen Aspekt zu konzentrieren, und welche hohen Anforderungen damit an die Beteiligten eines taxonomiekonformen Bauvorhabens gestellt werden:

Technische Bewertungskriterien DNSH: Beispiel: Neubau + Umsetzung 1. Umweltziel Klimaschutz
Technische Anforderungen abgeleitet aus der Delegierten Verordnung 2021/2139: Anhang I, Kapitel 7.1 (Auszug)
Anpassung
an den
Klimawandel
Die Tätigkeit erfüllt die Kriterien in Anlage A zu diesem Anhang. (Anmerkung: Nach Anlage A sind die physischen Klimarisiken zu ermitteln und zu bewerten, die das Gebäude und seine Nutzung während seiner Lebensdauer beeinträchtigen können. Die Bedrohungslage ist im Wege einer robusten Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertung zu ermitteln. Anschließend sind ggf. Anpassungslösungen zur Reduzierung des physischen Klimarisikos zu bewerten.(…))
Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeres-
ressourcen
Sofern installiert, außer bei Installationen in Wohngebäudeeinheiten (...)
Um Wechselwirkungen mit der Baustelle zu vermeiden, erfüllt das Bauvorhaben die Kriterien in Anlage B. (Anmerkung: Nach Anlage B sind die Risiken einer Umweltschädigung im Zusammenhang mit der Erhaltung der Wasserqualität und der Vermeidung von Wasserknappheit zu ermitteln und zu beheben, um einen guten Zustand von Gewässern und ein gutes ökologisches Potenzial zu erzielen.)
  • Wasserhähne an Handwaschbecken und Spülenarmaturen haben max. Wasserdurchfluss von 6 l/min;
  • Duschen haben einen max. Wasserdurchfluss von 8 l/min;
  • Toiletten, einschl. WC-Anlagen, Becken und Spülkästen, haben ein volles Spülvolumen von höchstens 6 l und ein durchschnittliches Spülvolumen von höchstens 3,5 l; (…)
  • Urinale verwenden höchstens 2 l/Becken/Stunde. Das volle Spülvolumen von Spülurinalen beträgt höchstens 1 l.
Übergang
zu einer Kreislauf-
wirtschaft
  • Mind. 70 Prozent der auf der Baustelle anfallenden nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfälle (…) wird gemäß der Abfallhierarchie und gemäß dem EU-Protokoll über die Bewirtschaftung von Bau- und Abbruchabfällen für die Wiederverwendung, das Recycling und eine sonstige stoffliche Verwertung, einschl. Auffüllarbeiten, bei denen Abfälle als Ersatz für andere Materialien zum Einsatz kommen, vorbereitet.
  • Die Betreiber begrenzen das Abfallaufkommen bei Bau- und Abbruchprozessen unter Berücksichtigung der besten verfügbaren Techniken und unter Anwendung selektiver Abbruchverfahren, um die Beseitigung und die sichere Handhabung von gefährlichen Stoffen zu ermöglichen und die Wiederverwendung und ein hochwertiges Recycling durch die selektive Beseitigung von Materialien zu erleichtern, wobei verfügbare Sortiersysteme für Bau- und Abbruchabfälle zum Einsatz kommen.
  • Durch die Auslegung der Gebäude und die Bautechnik wird die Kreislaufwirtschaft unterstützt (Anmerkung: ressourceneffiziente, anpassungsfähige, flexible und demontierbare Gestaltung).
Vermeidung und
Verminderung der Umwelt-verschmutzung
  • Baubestandteile und Baustoffe erfüllen die Kriterien in Anlage C zu diesem Anhang.
  • Bauteile und Materialien emittieren weniger als 0,06 mg Formaldehyd pro m³ Material oder Bauteil und weniger als 0,001 mg anderer krebserregender VOC der Kategorien 1A und 1B pro m³ Material oder Bauteil.
  • Befindet sich der Neubau auf einem potenziell schadstoffbelasteten Standort (brachliegende Flächen), wurde der Standort einer Untersuchung auf potenzielle Schadstoffe unterzogen (...).
  • Es werden Maßnahmen getroffen, um Lärm-, Staub- und Schadstoffemissionen während der Bau- oder Wartungsarbeiten zu verringern.
Schutz und Wiederherstellung der
Biodiversität
und der Ökosysteme
Die Tätigkeit erfüllt die Kriterien in Anlage D zu diesem Anhang. (Anmerkung: Anlage D sieht vor, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine entsprechende Bewertung durchgeführt wird.)
Zudem wurde der Neubau nicht errichtet auf
  • Acker- und Kulturflächen mit mittlerer bis hoher Bodenfruchtbarkeit und unterirdischer biologischer Vielfalt (…);
  • unbebautem Land mit anerkannt hohem Wert hinsichtlich der biologischen Vielfalt und Flächen, die als Lebensräume gefährdeter Arten (Flora und Fauna) dienen (…);
  • Flächen, die der im nationalen Treibhausgasinventar verwendeten Definition für „Wald“ nach nationalem Recht oder, falls keine solche Definition vorliegt, der Definition der FAO für „Wald“ entsprechen.

Was in Zukunft zu erwarten ist

Die EU-Taxonomie-Verordnung ist in Deutschland unmittelbar geltendes Recht und hat bedeutende Auswirkungen auf die Baubranche. Bauprojekte werden zunehmend Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Dazu gehören u. a. die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks, die Verwendung nachhaltiger Materialien und die Energieeffizienz von Gebäuden. Die EU verfolgt nicht nur bei der Verbesserung der Energieeffizienz ehrgeizige Ziele. Auch die Förderung der Kreislaufwirtschaft wird zunehmend wichtiger. Das bedeutet, dass Baustellen und Materialien so geplant werden müssen, dass sie wiederverwendet oder recycelt werden können. Der Einsatz von langlebigen und leicht recycelbaren Materialien und insbesondere die Rückbaubarkeit und weitere Verwendung von Material und Bauteilen wird zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Gerade in frühen Projektphasen können Sie als Planer erheblichen Einfluss auf den Nachhaltigkeitsstandard und die Umsetzung ambitionierter Umweltziele nehmen. Der Entwurf ist entscheidend für die Einhaltung der von der EU-Taxonomie-Verordnung i. V. m. den Delegierten Verordnungen aufgestellten Kriterien, sodass Planer eine zentrale Rolle bei der Bauwende spielen. Zudem können Sie sicherstellen, dass keine Informationen über Konstruktionsmerkmale zwischen Entwurf und Inbetriebnahme verloren gehen und das Nachhaltigkeitspotenzial von Gebäuden optimal genutzt werden kann.

Bei allen Überlegungen und Zielsetzungen sind strukturierte Datenerfassungsprozesse die Grundvoraussetzung für Transparenz und das Ableiten von Maßnahmen für die Entwicklung, Planung, Errichtung und den Betrieb von Bauwerken sowie deren weitere Verwertung. Geteiltes Wissen und langfristiges Denken sind das Gebot der Stunde. Darauf sind Unternehmensstrategien auszurichten, die von Investoren ebenso wie die der Bauschaffenden, sofern ESG-Projekte erfolgreich und nachweisbar umgesetzt werden sollen.

Praxistipp | Geht es um die Umsetzung eines taxonomiekonformen Projektes, ist ESG nicht nur als „Motto“ zu verstehen. Die in den Delegierten Verordnungen aufgestellten technischen Bewertungskriterien sind konsequent abzuarbeiten und die Feststellungen zu dokumentieren.
Fazit | Projekte, die auf das Erreichen von ESG-Konformität ausgerichtet sind, bedürfen der Umsetzung bestimmter Kriterien und einer sorgfältigen Dokumentation, die Grundlage für die Nachweisführung des Auftraggebers gegenüber der zuständigen Prüfinstanz ist. Die Anforderungen, die sich aus einer solchen Zielsetzung ergeben, müssen den Beteiligten daher bekannt sein, um Fehler und Haftung zu vermeiden. Die Bedeutung und Notwendigkeit einer projektbezogenen ESG-Strategie und die vertraglich zu gestaltende Zusammenarbeit sind Gegenstand von Teil 3 dieser Beitragsreihe.
Weiterführende Hinweise

Ausgabe: 09/2024, S. 14 · ID: 50038712

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