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GesetzgebungDas ist der Anwendungsbereich des neuen § 10 RVG

Top-Beitrag Abo-Inhalt 14.08.2024 3 Min. Lesedauer Von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz ist zum 17.7.24 § 10 Abs. 1 S. 1 RVG wie folgt neu geregelt worden: „Der Rechtsanwalt kann die Vergütung nur aufgrund einer von ihm oder auf seine Veranlassung dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung fordern; die Berechnung bedarf der Textform.“ (BGBl. Teil I vom 16.7.24 Nr. 234, iww.de/s11301). Rechnungen können daher per E-Mail verschickt werden, ohne dass Mandanten die Zahlung wegen einer fehlenden Unterschrift verweigern können. Obwohl die Vorschrift erst wenige Wochen alt ist, ergeben sich schon jetzt die ersten Probleme. Fraglich ist, ab wann bzw. für welche Mandate diese Regelung gilt. Hierbei sind folgende zwei Fragen zu unterscheiden: |

1. Was gilt für neue Mandate ab dem 16.7.24?

Fraglich ist zunächst, ob § 10 RVG nur für Angelegenheiten gilt, in denen der Auftrag nach dem 16.7.24 erteilt worden ist, also ob insoweit auf die Übergangsvorschrift nach § 60 Abs. 1 RVG abzustellen ist.

Grundsätzlich ist es so, dass ein Gesetz ab seinem Inkrafttreten uneingeschränkt anzuwenden ist, soweit keine Übergangsregelungen vorgesehen sind. Eine solche enthält § 60 Abs. 1 S. 1 RVG, wonach eine Neuregelung nur auf Mandate anzuwenden ist, in denen der unbedingte Auftrag nach dem betreffenden Stichtag erteilt worden ist. Indes spricht § 60 RVG nur von der „Vergütung“. Die Vergütung wiederum ist in § 1 Abs. 1 RVG legal definiert und umfasst Gebühren und Auslagen. Damit gilt § 60 RVG nicht für Verfahrensvorschriften und sonstige Regelungen. Deshalb bleibt es hier dabei, dass alle Rechnungen, die ab dem Stichtag 17.7.24 erteilt werden, in Textform mitgeteilt werden können.

Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BGH. Der BGH musste sich im Rahmen der Änderungen der Vorschriften zu der Vergütungsvereinbarung damit befassen, welche Fassung des RVG anzuwenden ist (RVG prof. 12, 23). Er hat klargestellt, dass es nicht auf die Angelegenheit ankommt, sondern auf den Tag des Abschlusses der Vereinbarung. Überträgt man dies auf § 10 RVG, kommt es darauf an, wann die Rechnung geschrieben worden ist.

Hinzu kommt, dass eine Anwendung des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG zu kuriosen und unpraktikablen Konstellationen führen würde. So müsste der Anwalt noch in Jahren die Schriftform mit eigenhändiger Unterschrift wahren, wenn sich ein Verfahren über lange Zeit hinzieht und somit die Vergütung erst in vielen Jahren fällig wird. Auch könnte es vorkommen, dass der Anwalt für die erste Instanz noch eigenhändig unterschreiben muss, für die zweite Instanz dagegen die Rechnung in Textform schreiben darf. Dies würde dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufen, im Interesse aller Beteiligten die Abrechnung zu erleichtern und zu vereinfachen.

2. Was gilt für alte Rechnungen vor dem 17.7.24?

Eine Rückwirkung sieht die Gesetzesnovelle nicht vor, sodass der neue § 10 RVG nicht rückwirkend auf „alte“ Rechnungen angewandt werden kann, selbst wenn diese heute die Formvorschriften erfüllen würden. Eine Rechnung, die zum Zeitpunkt ihrer Erstellung formunwirksam war, kann nicht durch Zeitablauf bzw. Änderung des Gesetzes wirksam werden. Dies würde auch die Rechte des Mandanten einschränken. Eine solche Auffassung würde sonst dazu führen, dass Urteile über Nacht falsch oder sich zahlreiche Rechtsstreite von Amts wegen über Nacht erledigen würden. Hier muss es also dabei bleiben: Eine vor dem 17.7.24 nur in Textform erteilte Rechnung genügt nicht.

Allerdings bleibt es dem Anwalt unbenommen, seinen Fehler zu korrigieren und im Nachhinein eine formgerechte Rechnung nachzureichen. Diese muss er dann nicht mehr eigenhändig unterschreiben. Da die Neuregelung seit dem 17.7.24 gilt, reicht es aus, wenn der Anwalt eine Rechnung in Textform nachreicht. Die Vergütung wäre ab diesem Tag geschuldet. Würde sich dadurch ggf. ein Rechtsstreit in der Hauptsache erledigen, wäre eine Verzinsung der Honorarforderung auch erst ab diesem Tag möglich.

Beachten Sie | Es muss darüber nachgedacht werden, ob das Berufen auf eine Formunwirksamkeit nicht sogar treuwidrig ist, wenn die vor dem 17.7.24 erteilte Rechnung der Textform entspricht und keine beachtlichen Gründe des Mandanten eine eigenhändige Unterschrift des Anwalts erfordern. Eine Verzinsung kann in diesem Fall allerdings erst mit dem 17.7.24 in Gang gesetzt werden.

Ausgabe: 9/2024, S. 159 · ID: 50106837

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