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ProzessrechtWiedereinsetzung in den vorigen Stand im Buß- oder Strafverfahren – Antrag
| Nachdem wir in VA 21, 190 die allgemeinen Fragen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantwortet und in VA 21, 208 die Rechtsprechung zum Verschulden vorgestellt haben, wollen wir Ihnen nachfolgend darstellen, worauf Sie bei einem Wiedereinsetzungsantrag achten müssen. |
Übersicht / Allgemeine Fragen zum Antrag bei der Wiedereinsetzung | |
Frage | Antwort |
| Es gelten die §§ 45, 46 StPO und § 52 OWiG. |
| Nein. Die Anforderungen an den Antrag sind unabhängig davon, wer über den Antrag entscheidet. |
| Der Wiedereinsetzungsantrag wird schriftlich gestellt. |
| Nach § 45 S. 1 StPO bzw. § 52 Abs. 1 OWiG muss der Wiedereinsetzungsantrag grundsätzlich dort gestellt werden, wo die (versäumte) Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Das ist im Strafverfahren das zur Entscheidung berufene Gericht, im Bußgeldverfahren richtet sich die Zuständigkeit nach § 52 Abs. 1 und 2 OWiG (dazu Burhoff in: Burhoff [Hrsg.], Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn. 4264). |
| Nein, der Antrag muss nicht unbedingt ausdrücklich gestellt werden. Er kann auch stillschweigend in einem Schriftsatz enthalten sein. Dabei reicht es aus, dass in diesem Schriftsatz konkludent zum Ausdruck gebracht wird, das Verfahren trotz verspäteter Einreichung der Rechtsmitteleinlegungs- oder Rechtsmittelbegründungsschrift fortsetzen zu wollen (für das Zivilrecht BGH NJW-RR 19, 1394 im Anschluss an BGHZ 63, 389). |
| Gem. § 45 Abs. 2 S. 2 StPO bzw. § 52 Abs. 1 OWiG ist die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Praxistipp | Ist dafür eine besondere Form vorgesehen, muss diese eingehalten werden. Anderenfalls ist der Antrag unzulässig (vgl. u. a. BGH NStZ 89, 15 [M]; KG 7.4.21, 3 Ws (B) 80/21; OLG Brandenburg 9.1.09, 1 Ss (OWi) 228 B/08). D. h. also, dass die Einlegung eines ggf. versäumten Rechtsmittels nachgeholt werden muss. Das gilt auch, wenn es sich um die Wiedereinsetzung von Amts wegen aufgrund einer ausschließlich auf Fehlern der Justiz beruhender Unzulässigkeit eines Rechtsmittels handelt (OLG Braunschweig 26.2.16, 1 Ss 6/16, StRR 3/2016, 2 [Ls.]). |
| Ja, der Antrag muss nach § 45 Abs. 1 StPO bzw. § 52 OWiG binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses, das zur Versäumung der Frist geführt hat, gestellt werden. |
| Die Wochenfrist berechnet sich nach § 43 StPO. Zweifel an der Einhaltung der Frist gehen grds. zulasten des die Wiedereinsetzung Begehrenden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 45 Rn. 3 m. w. N.). Praxistipp | Ist/war eine „qualifizierte Belehrung“ erforderlich, beginnt die Wochenfrist erst mit Erteilung dieser Belehrung (BVerfG NJW 13, 446). Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Betroffenen (BGH StraFo 17, 66; NStZ-RR 19, 24). |
| Der Antrag muss die Umstände darlegen, die zur unverschuldeten Fristversäumung geführt haben. Nach § 45 Abs. 2 S. 1 StPO bzw. § 52 Abs. 1 OWiG muss der Antrag – innerhalb der Wochenfrist – unter Behauptung von Tatsachen so vollständig begründet werden, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers an der Fristversäumung entnommen werden kann (BGH NStZ-RR 10, 378; OLG Hamm 13.7.12, III 3 RBs 192/12). Zur ausreichenden Begründung gehören aber auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 45 Rn. 5 m. w. N.; BGH NStZ 13, 474; NStZ-RR 19, 24; KG NZV 05, 656; OLG Düsseldorf StraFo 97, 77). Praxistipp | Entscheidend ist die Kenntnis des Betroffenen. Die Angaben zu dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene von dem Wegfall des Hindernisses, erfahren hat, müssen innerhalb der Wochenfrist gemacht werden, weil sie Voraussetzung für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags sind. Später können bereits rechtzeitig vorgetragene Zulässigkeitsvoraussetzungen nur noch ergänzt und verdeutlicht werden (u. a. BGH NStZ-RR 16, 85 m. w. N.). |
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| Ja, und zwar gem. § 45 Abs. 2 S. 1 StPO bzw. § 52 Abs. 1 OWiG entweder bei der Antragstellung, spätestens jedoch im Verfahren über den Antrag, und zwar innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 S. 1 StPO (BGH StraFo 19, 280 m. w. N.; zum „Grad“ der Glaubhaftmachung s. a. OLG Jena NStZ-RR 06, 345). |
| Nein, das reicht zur Glaubhaftmachung nicht aus (BGH NStZ 17, 172; NStZ-RR 10, 378; für das Zivilverfahren NJW 15, 3519; s. auch BayVerfGH NJW 15, 3085 für den Nachweis der Fristwahrung bei Einwurf in einen Nachtbriefkasten). |
| Ja, das darf sich aber nicht nur ohne weitere Ausführungen in der Feststellung der Verhandlungsunfähigkeit erschöpfen (OLG Braunschweig NStZ 14, 289). Praxistipp | Ein ärztliches Attest, das Art und Schwere der Erkrankung mitteilt, rechtfertigt in der Regel den Schluss, dass dem Betroffenen die Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zumutbar war. Etwas anderes kann jedoch bei Erkrankungen gelten, deren Symptome typischerweise zeitlich eng begrenzt, häufig auch akut „von der einen auf die andere Minute“ auftreten. In so gelagerten Fällen muss in der Regel zusätzlich vorgetragen werden, zu welcher Uhrzeit der Betroffene den behandelnden Arzt aufgesucht hat (vgl. KG 18.11.19, 3 Ws 352/19 für die Berufungsverwerfung). |
| Ja, aber nur, wenn gleichzeitig dargetan wird, dieser habe eine schriftliche Bestätigung verweigert, er sei nicht unverzüglich erreichbar oder es handele sich um einen für die Säumnis verantwortlichen Beamten (BGH, a. a. O.; zur Benennung eines Zeugen auch OLG Hamm 12.11.15, 3 Ws 379/15). |
| Ja, StPO/OWiG sehen Rechtsmittel vor. Insoweit gilt:
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AUSGABE: VA 2/2022, S. 34 · ID: 47831121