Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe 08.05.2025 abgeschlossen.
Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Mai 2025 abgeschlossen.
GrunderwerbsteuerZur Anwendung des § 6a GrEStG bei Ausgliederung eines Einzelunternehmens
| Der BFH hatte bereits 2019 in gleich sieben Fällen zur grunderwerbsteuerlichen Konzernbefreiung nach § 6a GrEStG entschieden und legte die Konzernklausel extensiv zugunsten der Steuerpflichtigen aus. Die Finanzverwaltung folgte diesen Entscheidungen zwar zähneknirschend (Ländererlasse vom 22.9.20, BStBl I 20, 960; 25.5.23, BStBl I 23, 995), allerdings versagte sie – entgegen der h. M. in der Literatur – die Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernbefreiung für den in der Praxis bedeutsamen Fall der Ausgliederung eines einzelkaufmännischen Betriebs auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft. Zu Unrecht, wie nun der BFH klargestellt hat (BFH 25.9.24, II R 2/22). |
1. Zum Hintergrund
§ 6a GrEStG befreit bestimmte Rechtsvorgänge, an denen nur ein herrschendes Unternehmen und abhängige Gesellschaften oder nur abhängige Gesellschaften beteiligt sind, von der Grunderwerbsteuer (GrESt).
Voraussetzungen für die Konzernbefreiung des § 6a GrEStG |
|
Herrschendes Unternehmen kann jeder Rechtsträger i. S. d. GrEStG sein. Die Finanzverwaltung nennt ausdrücklich auch natürliche Personen als mögliche „Konzernspitze“ (vgl. Gleichlautende Ländererlasse 25.5.23, BStBl I 23, 995 Tz. 3.1.). Voraussetzung ist allerdings, dass der Rechtsträger wirtschaftlich tätig ist. Hierbei reicht es nach der Rechtsprechung aus, dass dieser „über die Beteiligung am abhängigen Unternehmen am Markt teilnimmt“.
Beachten Sie | Nicht (mehr) erforderlich ist, dass der als herrschendes Unternehmen beteiligte Rechtsträger ein Unternehmer i. S. d. § 2 UStG ist. Die Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft i. S. d. § 6a S. 4 GrEStG muss auch nicht im Betriebsvermögen des herrschenden Unternehmens gehalten werden. Der ertragsteuerliche Begriff des Betriebsvermögens ist dem Grunderwerbsteuerrecht fremd (BFH 21.8.19, II R 19/19 [II R 63/14], BStBl II 20, 337).
2. BFH: Teleologische Reduktion der Behaltefristen
Die in § 6a S. 4 GrEStG genannten Fristen sind nach den Grundsatzentscheidungen des BFH vom 21. und 22.8.19 (II R 15/19 bis 21/19, BStBl II 20, 329 ff.) nur insoweit einzuhalten, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Der BFH differenziert wie folgt:
Merke | Die jeweiligen Vor- und Nachbehaltensfristen stellen nicht auf die durch den Umwandlungsvorgang übergehenden Grundstücke, sondern allein auf die Beteiligungsverhältnisse ab. Die Regelung des § 6a GrEStG ist streng anteilsbezogen zu verstehen. |
- Bei einer Verschmelzung zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen muss nur die Vorbehaltensfrist eingehalten werden. Dies gilt sowohl für die Verschmelzung auf die abhängige Gesellschaft als auch auf das herrschende Unternehmen. Das Nichteinhalten der Nachbehaltensfrist ist für die Steuerbegünstigung unschädlich.Bei dieser Variante muss nur die Vorbehaltensfrist eingehalten werden
- Sind an der Verschmelzung mehrere von dem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt, muss die Nachbehaltensfrist nur in Bezug auf die aufnehmende Gesellschaft und die Vorbehaltensfrist in Bezug auf die beiden abhängigen Gesellschaften eingehalten werden.
- Bei einer Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen muss nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden. Das Nichteinhalten der Vorbehaltensfrist ist für die Steuerbegünstigung unschädlich.Bei Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung zählt nur die Nachbehaltensfrist
3. Umstrukturierung eines Einzelunternehmens mit Grundbesitz
Obwohl der BFH in seiner Entscheidung zu Az. II R 16/19 (21.8.19, BStBl II 20, 333) ausdrücklich die Ausgliederung eines Teilbetriebs mit Grundstück durch eine GmbH zur Neugründung auf eine (neue) Tochter-GmbH freizeichnete und die hierbei denklogische Nichteinhaltung der Vorbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG als unbeachtlich einstufte, wollte die Finanzverwaltung die Urteilsgrundsätze zwar allgemein, jedoch ausdrücklich nicht auf die Ausgliederung eines einzelkaufmännischen Unternehmens gem. §§ 123 Abs. 3 Nr. 2, 152 ff. UmwG anwenden. Hierbei berief sich die Finanzverwaltung – intern und ohne weitere Begründung in den Anwendungserlassen – auf ein Urteil des FG München (23.7.14, 4 K 1304/13). Dieses hat die Anwendung der Konzernklausel des § 6a GrEStG versagt, da infolge der vollständigen Ausgliederung das herrschende Unternehmen erloschen sei.
In der Literatur wurde dieser Ansicht zutreffend entgegengehalten, dass zum einen auch natürliche Personen als herrschendes Unternehmen i. S. d. § 6a GrEStG qualifizieren könnten und zum anderen der BFH auch die Verschmelzung einer GmbH auf ihre alleinige Gesellschafterin (natürliche Person) gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG als von der Konzernklausel des § 6a GrEStG begünstigt angesehen hatte (Urt. v. 21.8.19, II R 15/19 BStBl II 20, 329).
3.1 Praxisfolgen
Durch die Versagung der Konzernbegünstigung des § 6a GrEStG kam es in der Beratungspraxis zu dem Dilemma, dass ein grundbesitzendes Einzelunternehmen faktisch nicht ohne Anfall von Gewerbesteuer in die Rechtsform einer GmbH umstrukturiert werden konnte:
- Der Anwendungsbereich eines nichsteuerbaren Formwechsels ist dem Einzelkaufmann gem. § 191 Abs. 1 UmwG nicht eröffnet.
- Die vorgeschaltete Überführung des Unternehmens in die Rechtsform einer Personengesellschaft (bspw. einer eGbR mit einem weiteren, zu null beteiligten Gesellschafter), wäre zwar nach § 5 Abs. 2 GrEStG zunächst steuerbegünstigt möglich, jedoch wäre ein nachfolgender möglicher Formwechsel in die Rechtsform einer GmbH als Sperrfristverstoß gegen die zehnjährige Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG zu werten (vgl. Ländererlasse 5.3.24, BStBl 24, 410, Rn. 50 ff.)Späterer Formwechsel in GmbH als Verstoß gegen Nachbehaltensfrist zu werten
Eine Ausnahme bildeten lediglich Fallkonstellationen, in denen bereits seit mindestens fünf Jahren auch eine Beherrschung der übernehmenden GmbH existierte, wie dies häufig in Betriebsaufspaltungsfällen der Fall war.
Merke | Eine Übertragung des Grundvermögens im Wege der Einbringung in Einzelrechtsnachfolge im Rahmen einer Sachgründung/-kapitalerhöhung oder als Sachagio ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar und kann damit nicht nach § 6a GrEStG begünstigt werden. Auch bei einer Erfüllung der Vorbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG ist es daher unerlässlich, die Umstrukturierung im Rahmen einer Ausgliederung zur Aufnahme gem. §§ 126 ff. UmwG zu vollziehen. |
4. Aktuelle Entscheidung des BFH
Der BFH hat nunmehr die o. g. sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung der Finanzverwaltung, wie in der Fachliteratur allgemein erwartet, als rechtswidrig gebrandmarkt:
- Es lässt sich dem Wortlaut des § 6a S. 1 GrEStG keine Einschränkung dahin gehend entnehmen, dass nur bestimmte Verschmelzungsvorgänge von der Norm erfasst sein sollen. § 6a S. 1 GrEStG erfasst vielmehr alle Umwandlungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG, folglich auch die Ausgliederung eines einzelkaufmännisch betriebenen Unternehmens auf eine Kapitalgesellschaft nach § 123 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 152 UmwG.
- Der BFH habe bereits entschieden, dass auch Umwandlungsvorgänge zwischen einem Alleingesellschafter und der von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft von § 6a GrEStG erfasst sind und auch der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft herrschendes Unternehmen i. S. d. § 6a GrEStG sein könne.Alleingesellschafter einer KapG kann herrschendes Unternehmen sein
- Nach § 124 Abs. 1 i. V. m. § 152 UmwG kann die Ausgliederung des von einem Einzelkaufmann betriebenen Unternehmens, dessen Firma im Handelsregister eingetragen ist, zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft erfolgen. Auch dieser Fall ist von § 6a S. 1 GrEStG erfasst, denn es handelt sich um eine Umwandlung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 UmwG.
- Kann die Vorbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG in diesem Fall umwandlungsbedingt nicht eingehalten werden, steht dies der Begünstigung nicht entgegen.
5. Hinweise für die Gestaltungspraxis
Damit ist eine (weitere) wesentliche Hürde für eine sinnvolle Umstrukturierung eines grundbesitzenden Einzelunternehmens genommen – es ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung das Urteil akzeptiert und seine ablehnende Auffassung in den Ländererlassen vom 25.5.23 (s. o.) aufgibt. Zu beachten bleibt in der Praxis:
- Die Übertragung des Grundstücks muss zwingend im Rahmen einer Ausgliederung des Einzelunternehmens gem. §§ 123 Abs. 3 Nr. 2, 152 ff. UmwG zur Neugründung erfolgen. Daher muss das Unternehmen als einzelkaumännisches Unternehmen im zuständigen Handelsregister eingetragen sein. Dabei reicht es, dass die Eintragung vor der Anmeldung der Ausgliederung nach § 137 UmwG veranlasst wurde.
- Ertragsteuerlich dürfte daher eine Übertragung von Immobilien des Privatvermögens mangels Eröffnung des UmwG weiterhin nicht in den Anwendungsbereich der Konzernbegünstigung des § 6a GrEStG fallen.
- Zivilrechtlich wäre zwar auch die Ausgliederung eines „Unternehmensteils“ möglich (vgl. § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG), stellt dieser aber keinen Teilbetrieb i. S. d. § 20 Abs. 1 UmwStG dar, wäre wiederum ertragsteuerlich keine entsprechende Buchwertfortführung auf Antrag gem. § 20 Abs. 2 UmwStG möglich. Eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG ist bei Übertragungen auf eine GmbH ausgeschlossen.Ausgliederung eines Unternehmensteils nur bei Teilbetrieb zu Buchwerten möglich
- Eine Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG auf eine bereits errichtete (Vorrats-)GmbH zu Aufnahme wäre zwar grundsätzlich ebenfalls begünstigungsfähig, allerdings wäre in diesem Fall die Vorbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG einzuhalten.
6. Alternative Gestaltungen
Aufgrund der Limitierung der möglichen Übertragungsvorgänge auf Ausgliederungen nach § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG stellt sich damit in der Praxis nach wie vor die Frage, ob es auch Möglichkeiten der grunderwerbsteuerfreien Übertragung von Grundvermögen für „Nicht-Kaufleute“ (bspw. freiberuflich tätige Unternehmer, rein vermögensverwaltende Tätigkeit) gibt.
6.1 Veräußerung zu einem niedrigen Kaufpreis
Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG insoweit eingeschränkt ist, als Vorgänge nach § 1 Abs. 1 GrEStG mit Ausnahme des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG nicht erfasst werden. Da sowohl Einbringungen als auch sonstige Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage – mit Ausnahme der Anwachsung – im Wege der Einzelrechtsnachfolge verwirklicht werden, ist bei Vorgängen, die unmittelbar Grundstücke als Übertragungsgegenstand betreffen, § 6a GrEStG regelmäßig nicht anwendbar, weil die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG eintritt. Hier wird sich die Beraterschaft weiterhin mit der Ausweichgestaltung einer Veräußerung zu einem niedrigen Kaufpreis behelfen müssen.

Die Wahl eines Kaufpreises unter dem Verkehrswert steht der Zugrundelegung dieses Kaufpreises für die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht entgegen, solange der Kaufpreis nicht lediglich in symbolischer Höhe vereinbart wird (vgl. BFH-Beschl. v. 2.11.10, II B 61/10, Loose in: Viskorf, § 9 Rn. 208 f.). Diese Gestaltung dürfte sich jedoch lediglich bei einer Veräußerung aus dem Privatvermögen nach Ablauf der zehnjährigen Haltefrist des § 23 EStG anbieten.
Freiberuflern ist dieser Weg somit nicht eröffnet. Hier bleibt es auch nach der höchst erfreulichen Entscheidung des BFH dabei, dass über Umweggestaltungen zunächst eine umwandlungsfähige Personengesellschaft errichtet werden müsste (PartG, eGbR), welche dann in einem nächsten Schritt – jedoch nach „Abwarten“ der fünfjährigen Vorbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG – beispielsweise auf die Zielgesellschaft zur Neugründung verschmolzen wird. Allerdings scheitert dieses theoretische Konstrukt in der Praxis oftmals an dem Erfordernis einer herrschenden Konzernspitze.
Beachten Sie | Die in der Vergangenheit praktizierte Gestaltung der Begründung einer (bspw. Steuerberatern und Rechtsanwälten eröffneten) Ein-Personen-Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG und anschließendem Formwechsel der Gesellschaft in die Rechtsform einer GmbH ist aufgrund der hierbei seit dem Juli 2021 zu beachtenden zehnjährigen Sperrfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG keine wirkliche Option mehr. Insoweit bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber den Ruf der Praxis erhört und zeitnah den Weg zur Umwandlung über § 152 UmwG auch Freiberuflern in Einzelkanzleien eröffnet (siehe auch Heckschen, ZGP 23, 244).
AUSGABE: GStB 5/2025, S. 176 · ID: 50349031