Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Login
FeedbackAbschluss-Umfrage
WCRWebContent Recht
Okt. 2025

HaftungAuffahrunfall nach abgebrochenem Spurwechsel auf der Autobahn

10.09.2025167 Min. Lesedauer

| Der grundsätzlich gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis ist entkräftet, wenn das vorausfahrende Fahrzeug im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Unfall einen bereits zur Hälfte vollzogenen Fahrstreifenwechsel unvermittelt abbricht, wieder vor dem auffahrenden Fahrzeug einschert und dort sein Fahrzeug zum Stillstand abbremst. In dieser Situation ist eine Haftungsverteilung von 50% zu 50% gerechtfertigt, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |

Auffahrunfall auf der Autobahn

Der Fahrer eines bei der Klägerin versicherten Ford Ranger befuhr im Sommer 2021 zunächst den linken von drei Fahrspuren der BAB 45. Aufgrund einer Baustelle verengte sich die Fahrbahn auf zwei Fahrspuren. Der Fahrer begann, auf den mittleren Streifen zu wechseln. Wegen des dortigen Verkehrsaufkommens fuhr er, nachdem er ca. zur Hälfte auf der mittleren Fahrspur angelangt war, ebenso wie das vorausfahrende Fahrzeug, wieder auf die linke Spur. Auf der linken Spur bremste das vorausfahrende Fahrzeug bis zum Stillstand ab. Der Fahrer des Ford bremste ebenfalls für max. 1 Sekunde bis zum Stillstand ab. Der hinter dem Ford auf der linken Spur befindliche Beklagte kollidierte mit dem klägerischen Fahrzeug. Der Schaden am klägerischen Schaden beläuft sich auf knapp 60.000 Euro.

So verteilt das Oberlandesgericht die Haftung

Das Landgericht (LG) hatte der Klage auf Basis einer Haftung von 80% stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung führte zu einer Haftungsquote des Beklagten von 50%.

Der grundsätzlich gegen den Auffahrenden geltende Anscheinsbeweis greife vorliegend nicht ein, begründete das OLG die Entscheidung. Sowohl die unklare Verkehrslage als auch der atypische Geschehensablauf stünden dem Anscheinsbeweis entgegen.

Zudem spreche gegen den Anscheinsbeweis, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Unfall einen bereits zur Hälfte vollzogenen Fahrstreifenwechsel unvermittelt abgebrochen habe. Der Fahrer des Ford habe selbst bekundet, das Beklagtenfahrzeug auf der linken Spur nicht gesehen zu haben. Dies spreche dagegen, dass er sich vor dem von der Klägerin als „Schlenker“ bezeichneten Manöver durch Rückschau über den rückwärtigen Verkehr auf der linken Spur versichert habe. Weder vorgetragen noch ersichtlich sei zudem, dass der Fahrer des Ford vor dem Einscheren auf die linke Spur geblinkt und so für den nachfolgenden Verkehr den Abbruch des zunächst begonnenen Fahrstreifenwechsels angezeigt habe. „Der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit dem gescheiterten Fahrspurwechsel liegt ersichtlich noch vor und wurde durch den kurzzeitigen Stillstand des Fahrzeugs von einer halben bis maximal einer Sekunde nicht aufgehoben“, führte das OLG weiter aus.

Hälftige Haftungsverteilung

Gegen ein alleiniges Verschulden des Fahrers des Fords spreche allerdings die unklare Verkehrslage im Hinblick auf das Enden der vom Beklagten benutzten Fahrspur sowie das starke Verkehrsaufkommen. Bei Letzterem sei auch „mit dem abrupten Abbremsen vorausfahrender oder die Spur wechselnder Fahrzeuge jederzeit zu rechnen“ gewesen, erläuterte das OLG die vorgenommene Haftungsverteilung von 50% zu 50%.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.4.2025, 9 U 5/24, PM 38/25

AUSGABE: WCR 10/2025, S. 0 · ID: 50529572

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025
Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Praxiswissen auf den Punkt gebracht

Bildrechte