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ArchitektenrechtAbgrenzung zwischen Objekt- und Tragwerksplaner – Koordination, Integration, Haftungsrisiken

Leseprobe24.04.20259 Min. LesedauerVon Rechtsanwältin Gabriela Böhm, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht u. a., Partnerin c.r.p. law. partnerschaft mbb, Frankfurt am Main

| Die Schnittstellenproblematik zwischen Objekt- und Tragwerksplanung ist in der Praxis allgegenwärtig. Die HOAI 2021 präzisiert die Leistungsbilder in den Lph 3 und 5 und betont die Rolle des Objektplaners als Koordinator. Ein aktuelles Urteil des LG Frankfurt am Main unterstreicht die Bedeutung der Koordinations- und Integrationspflichten und zeigt, dass eine unzureichende Abstimmung mit Fachplanern zu hohen Haftungsrisiken führen kann. Im Folgenden werden die Verantwortlichkeiten aus juristischer, rechtsprechungsorientierter und praxisrelevanter Perspektive untersucht. |

Der Fall beim LG Frankfurt

Im Fall vor dem LG Frankfurt (Urteil vom 17.01.2025, Az. 2-31 O 186/24, Abruf-Nr. 246289) beauftragte ein Bauherr einen Architekten sowohl mit der Ausführungsplanung als auch mit der Objektüberwachung eines Einfamilienhauses. Die Tragwerksplanung wurde von einem gesonderten Ingenieurbüro erstellt.

Die Tragwerksplanung sah für eine tragende Außenwand eine Ausführung in Stahlbeton vor. Der Architekt stellte diese Wand jedoch in seiner Ausführungsplanung als Mauerwerkswand dar. Der Rohbauer errichtete die Wand entsprechend den Plänen des Architekten in Mauerwerk, ohne die Tragwerksplanung zu hinterfragen. Infolgedessen kam es zu Rissbildungen und statischen Problemen, die umfangreiche Sanierungsmaßnahmen erforderlich machten. Erst nach Fertigstellung fiel der Widerspruch zwischen Tragwerksplanung und Objektplanung auf. Der Bauherr verlangte Schadensersatz, da die fehlerhafte Planung des Architekten die Sanierungsarbeiten erforderlich machte.

Der Architekt argumentierte, er hätte davon ausgehen dürfen, dass die Ausführung der Wand als Mauerwerkswand anstelle einer Stahlbetonwand in statischer Hinsicht ordnungsgemäß sei, zumal der Tragwerksplaner im Rahmen der Bewehrungsabnahme die hier maßgebliche Wand nicht beanstandet und damit freigegeben habe. Hätte der Tragwerksplaner die hier relevante Mauerwerkswand im Rahmen der Bewehrungsabnahme beanstandet, hätte die Wand mit geringem Aufwand zurückgebaut und durch eine Stahlbetonwand in der vom Tragwerksplaner geforderten Güte ersetzt werden können. Mit dieser Argumentation konnte der Architekt nicht durchgreifen.

Ein zentraler Streitpunkt war die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen dem mit den LPH 5 bis 8 beauftragten Architekten und dem Tragwerksplaner. Das Gericht hatte neben der Haftung des Objektplaners auch zu klären, inwieweit der bauüberwachende Architekt verpflichtet ist, statische Berechnungen und Tragwerksplanungen zu prüfen und zu überwachen.

Architekt kommt seiner Koordinations- und Integrationspflicht nicht nach

Das Gericht stellte fest, dass die Ausführungsplanung des Architekten fehlerhaft war. Der Architekt war verpflichtet in der Lph 5, die statischen Vorgaben des Tragwerksplaners in seine Planung zu übernehmen und diese auf Plausibilität zu prüfen. Ein Fehler bei der Planung ist gegeben, „wenn die geplante Ausführung des Bauwerks notwendigerweise zu einem Mangel des Bauwerks führen muss“ (BGH BauR 1971, 58, 59), da es entweder nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht (OLG Naumburg BauR 2000, 274, 275) – hier für nicht eingehaltenem Trittschallschutz – oder aber lückenhaft ist (BGH BauR 2000, 1330, 1331).

  • Ein Architekt, der mit der Objektplanung (hier Lph 5) beauftragt ist, hat die Fachplanungen anderer Sonderfachleute zu koordinieren und in seine Planung zu integrieren (OLG Frankfurt am Main NZBau 2021, 739).
  • Dabei gilt: Ein Architekt muss sich auf Fachplanungen verlassen dürfen, ist jedoch verpflichtet, diese auf offensichtliche Fehler und Widersprüche zu überprüfen (OLG Köln IBR 1994, 289; OLG Düsseldorf NZBau 2014, 506).
  • Offensichtliche Planungsfehler in der Tragwerksplanung darf der Architekt nicht übernehmen, ohne diese zu beanstanden (OLG Hamm NZBau 2011, 84; OLG Düsseldorf NZBau 2014, 506, 507).

Der mit der Lph 8 beauftragte Architekt ist verpflichtet, die Bauausführung zumindest stichprobenartig auf die Einhaltung der statischen Vorgaben zu kontrollieren (BGH BauR 1994, 392, 393; BGH BauR 2000, 1513, 1514). Der Architekt konnte nicht ohne weitere Rückfrage davon ausgehen, dass die Fachplaner die Pläne beachten - er musste sich zumindest stichprobenartig vergewissern, dass die Pläne aufeinander abgestimmt sind, was hier nicht der Fall war. Die bauüberwachende Tätigkeit verlangt insbesondere eine regelmäßige Anwesenheit auf der Baustelle und eine Kontrolle kritischer Baumaßnahmen wie des Rohbaus. Hierzu gehört auch die Überprüfung, ob statische Berechnungen und Tragwerksplanungen eingehalten wurden (OLG Karlsruhe BeckRS 2019, 63215).

Ein bauüberwachender Architekt kann sich nicht darauf berufen, dass ein Tragwerksplaner oder Prüfingenieur keine Bedenken erhoben hat – dies entlastet ihn nicht von seiner eigenen Prüfpflicht (OLG Saarbrücken ZfBR 2021, 549 ff.; OLG Celle NZBau 2014, 444). Vorliegend wurde die tragende Außenwand in Mauerwerk statt in Stahlbeton ausgeführt. Diese Diskrepanz zwischen Tragwerksplanung und Ausführungsplanung hätte dem bauüberwachenden Architekten bei einer ordnungsgemäßen Kontrolle auffallen müssen.

Das LG Frankfurt stellte zutreffend fest, dass der Tragwerksplaner kein Erfüllungsgehilfe des bauüberwachenden Architekten im Verhältnis zum Bauherrn ist. Ein Architekt kann sich nicht entlasten, indem er behauptet, dass die fehlerhafte Tragwerksplanung die Ursache für den Mangel sei, wenn er diese Planung eigenverantwortlich in seine Ausführungsplanung übernommen hat (BGH NZBau 2002, 616; OLG Düsseldorf NZBau 2015, 98, 102). Der bauüberwachende Architekt haftet eigenständig für die unzureichende Kontrolle, auch wenn ein Sonderfachmann mit der Tragwerksplanung beauftragt war. Der Bauherr habe Anspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten, da die fehlerhafte Planung und Bauüberwachung des Architekten zu einem Mangel führte, der nicht anders als durch erhebliche Nachbesserungsmaßnahmen (Nachrüstung einer Stahlkonstruktion) behoben werden kann.

Der Tragwerksplaner ist neben dem bauüberwachenden Architekten ebenfalls haftbar, da beide Planungsleistungen aufeinander abgestimmt sein müssen. Allerdings besteht keine Erfüllungsgehilfenschaft des Tragwerksplaners gegenüber dem Architekten, sodass sich der Architekt nicht auf eine Verringerung seiner eigenen Haftung berufen kann (OLG Düsseldorf NZBau 2015, 98, 102 f.).

Das Gericht sah im Übrigen kein Mitverschulden des Bauherren, da dieser sich auf die professionelle Planung und Überwachung durch Architekten und Fachplaner verlassen durfte.

Verantwortlichkeiten in der Planung – Objektplaner als Koordinator

Das LG Frankfurt stellte fest, dass den Objektplaner eine klare Integrations- und Koordinationspflicht nach § 34 HOAI trifft. Der Objektplaner ist nach § 34 HOAI dazu verpflichtet, die Fachplanungen – insbesondere die Tragwerksplanung – in die eigene Planung zu integrieren. Dies umfasst eine Plausibilitätskontrolle, insbesondere bei offensichtlichen Widersprüchen zwischen Tragwerks- und Objektplanung.

Im vorliegenden Fall hätte der Architekt erkennen müssen, dass eine als Stahlbetonwand berechnete Konstruktion nicht ohne statische Konsequenzen in Mauerwerk geändert werden kann. Der Objektplaner schuldet aus Sicht des LG keine detaillierte Prüfung der statischen Berechnung, da dies in die Verantwortlichkeit des Tragwerksplaners fällt. Er darf sich jedoch nicht blind auf die Tragwerksplanung verlassen, wenn seine eigene Planung von den Vorgaben der Tragwerksplanung abweicht. Ein klar erkennbarer Widerspruch – wie hier zwischen den Plänen des Tragwerksplaners und den eigenen Ausführungsplänen – hätte Anlass zur Rückfrage gegeben.

Wichtig | Der Architekt haftet für den Schaden aus der unzureichenden Integration der Tragwerksplanung in die Ausführungsplanung. Ein Mitverschulden des Tragwerksplaners wurde verneint, da dieser seine Berechnungen korrekt erstellt hatte. Die fehlerhafte Umsetzung der Tragwerksplanung resultierte allein aus der fehlerhaften Ausführungsplanung durch den Beklagten.

Das Gericht stellte fest, dass die Bauüberwachung die fehlerhafte Integration der Tragwerksplanung nicht hätte kompensieren können. Zwar hätte der Architekt als Bauüberwacher erkennen können, dass die Tragwerksplanung nicht umgesetzt wurde. Die Hauptverantwortung lag jedoch in der fehlerhaften Objektplanung, die dazu führte, dass die Tragwerksplanung nicht korrekt in das Projekt integriert wurde.

Koordinations- und Integrationspflicht des Objektplaners

Gemäß Anlage 10 zu § 34 Abs. 4 HOAI muss der Objektplaner die Arbeitsergebnisse bereitstellen und die Leistungen der Fachplaner koordinieren und integrieren.

Lph 3: Entwurfsplanung und Schnittstellenmanagement

Ein wesentliches Problem in der Lph 3 ist die Synchronisierung der Fachplanerbeiträge. Die Entwurfsplanung muss so aufbereitet werden, dass der Tragwerksplaner darauf aufbauen kann. Dies setzt klare Kommunikation und regelmäßige Abstimmung voraus, insbesondere in folgenden Punkten:

  • Grundrisslogik und statische Systemwahl
  • Lastabtragung und Achskoordination
  • Abstimmung von Tragsystemen und Durchbrüchen

Die Diskussion über die Bedeutung der „Koordination“ ist nicht neu. Teilweise wird vertreten, dass der Objektplaner eine aktive Rolle bei der Bewertung der Tragwerksplanung übernehmen müsse, während die herrschende Meinung wohl der engeren Auslegung folgt: Der Objektplaner koordiniert, aber er überwacht oder korrigiert nicht die Fachplanerleistung.

Die Koordinationspflicht des Objektplaners umfasst demnach in der Regel keine inhaltliche Prüfung oder Korrektur der Fachplanung, sondern lediglich eine Abstimmung der Planungen im Sinne eines reibungslosen Planungsablaufs (Fuchs/Berger/Seifert, HOAI, 3. Auflage 2022, § 34 Rz. 126, 127). Die Entscheidung des OLG Saarbrücken (Urteil vom 19.03.2014, Az. 1 U 420/12, Abruf-Nr. 246291) betont bspw., dass der Objektplaner nicht für Fehler des Tragwerksplaners haftet, sofern keine offensichtlichen Mängel in den statischen Berechnungen erkennbar sind.

Bereits in der Grundlagenermittlung (Lph 1) trifft den Objektplaner eine Informationspflicht gegenüber dem Bauherrn hinsichtlich der erforderlichen Fachplaner. Laut OLG Hamm (Urteil vom 18.05.2021, Az. 24 U 48/20, Abruf-Nr. 246290) haftet der Objektplaner, wenn er versäumt, den Bauherrn über die Notwendigkeit von Sonderfachplanern – etwa für die Bodenuntersuchung – aufzuklären.

Ein weiteres Beispiel für die weitreichende Verantwortung des Objektplaners findet sich im OLG Jena (BauR 2017, 902). Dort wurde entschieden, dass der Objektplaner die Ergebnisse eines Bodengutachtens in seiner Planung berücksichtigen und den Bauherrn auf erkennbare Fehler hinweisen muss.

Die Koordination der Fachplanungen ist eine zentrale Aufgabe des Objektplaners in der Entwurfsphase. Eine unzureichende Abstimmung zwischen Tragwerks- und Objektplanung kann zu einem nicht genehmigungsfähigen Entwurf führen. Das LG Frankfurt am Main hat im Urteil vom 17.01.2025 klargestellt, dass der Objektplaner haftet, wenn er Tragwerksplanungen unzureichend integriert oder offensichtliche Diskrepanzen ignoriert.

Lph 5: Integration der Tragwerksplanung in die Planung

Die Ausführungsplanung konkretisiert das Bauvorhaben und setzt die Tragwerksplanung in eine baulich umsetzbare Form um. Nach § 34 Abs. 5 HOAI besteht für den Objektplaner die Pflicht zur Koordination und Integration der Fachplanungen. Die Koordination des Objektplaners umfasst insbesondere:

  • Integration der Tragwerksplanung in die Objektplanung (Schalpläne, Konstruktionsdetails)
  • Maßliche Abstimmung zwischen Architekten- und Tragwerksplänen
  • Abgleich mit weiteren Fachplanungen, insbesondere der technischen Gebäudeausrüstung

Entscheidend ist, dass der Objektplaner nicht für die Standsicherheit verantwortlich ist. Das hat der BGH (NZBau 2002, 616) klargestellt. Der Tragwerksplaner trägt die alleinige Verantwortung für die statische Berechnung. Dennoch hat der Objektplaner eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen.

Wer haftet bei unabgestimmter Arbeit der beteiligten Planer?

Die Abgrenzung der Haftung zwischen Objektplaner und Tragwerksplaner ist durch die Rechtsprechung weitgehend geklärt. Eine Gesamtschuldnerschaft zwischen beiden besteht nur, wenn eine unmittelbare Zusammenarbeit fehlschlägt und der Schaden daraus resultiert. Das Frankfurter Urteil zeigt exemplarisch, wie eine mangelhafte Integration der Tragwerksplanung zu Baumängeln führen kann. Die mangelnde Abstimmung führte zu Rissbildungen und erheblichen Nachbesserungskosten.

Praxistipp | Die HOAI definiert die Leistungsbilder. Dennoch bleibt die Abgrenzung zwischen Objektplaner und Tragwerksplaner ein kritischer Punkt in der Praxis. Um Haftungsrisiken zu minimieren, sind folgende Maßnahmen zu empfehlen:
  • Regelmäßige Meetings zwischen Objekt- und Tragwerksplaner zur Synchronisierung der Planungsschritte.
  • Klare Vertragsgestaltung: Wer welche Aufgaben hat, sollte im Planervertrag eindeutig geregelt werden. Klärungen und Abstimmungen sollten schriftlich festgehalten werden, um im Streitfall Nachweise zu haben.
  • Der Objektplaner sollte im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung bestenfalls offensichtliche Widersprüche erkennen und klären, wobei die statische Berechnung selbst nicht zu hinterfragen ist.

Die Entscheidung des LG Frankfurt zeigt, dass eine unpräzise Koordination zwischen Objekt- und Tragwerksplanung zu erheblichen Schäden führen kann. Wer klare Verantwortlichkeiten definiert und Schnittstellen aktiv steuert, reduziert nicht nur rechtliche Risiken, sondern auch Kosten und Verzögerungen im Bauprozess.

Fazit | Die Koordinationspflicht des Objektplaners hat klare Grenzen. Der Tragwerksplaner haftet allein für die Standsicherheit. Der Objektplaner haftet für die Koordination und Integration der Tragwerksplanung. Erkennbare Widersprüche muss der Objektplaner hinterfragen.

AUSGABE: PBP 5/2025, S. 20 · ID: 50310706

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