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SteuerhinterziehungStrittig: Blockiert deutsches Recht die irische Restschuldbefreiung?

Leseprobe01.12.2025213 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin

Ein irisches Insolvenzverfahren ist hinsichtlich deutscher Steuerforderungen, die im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung stehen, wirkungslos, wenn der Betroffene rechtskräftig verurteilt worden ist. Die einer Restschuldbefreiung vergleichbare Wirkung eines in Irland durchlaufenen Insolvenzverfahrens würde gegen den deutschen Ordre public verstoßen.

Sachverhalt

Streitig ist der Abrechnungsbescheid vom 25.4.24. In diesem Bescheid lehnte der Beklagte (B) die Anerkennung eines in der Republik Irland durchlaufenden Insolvenzverfahrens in Bezug auf die auf einer Steuerhinterziehung des Klägers (K) beruhenden Steuerverbindlichkeiten ab.

K hatte vor Erlass des Abrechnungsbescheids Klage erhoben. Hintergrund dieses Verfahrens war, dass K in der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Steuerschulden aus den Veranlagungszeiträumen 2009 bis 2012 hatte, in deren Zusammenhang er wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war. K übersiedelte in der Folge in die Republik Irland. Über das Vermögen des K wurde in Irland ein Insolvenzverfahren eröffnet und mit beglaubigter Bestätigung zum 18.10.21 die Zahlungsunfähigkeit erklärt. Nach Verfahrensabschluss erhielt K mit dem Certificate of Discharge from Bankruptcy die Bestätigung, dass er mit Ablauf eines bestimmten Datums aus dem Verfahren entlassen ist.

Folge des irischen Insolvenzverfahrens ist, dass die Forderungen nicht mehr geltend gemacht werden können. Ausnahmen sind im irischen Recht für Steuerforderungen, die im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung stehen, nicht vorgesehen. K hatte daraufhin die Feststellung erstrebt, dass durch B nichts mehr beansprucht werden kann. Insoweit ist beim BFH noch ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anhängig (VII B 77/24).

Im Anschluss an das finanzgerichtliche Urteil vom 17.4.24 erließ B einen Abrechnungsbescheid vom 25.4.24, der Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist. K macht nun geltend, dass die Reichweite der rechtswirksam erfolgten Insolvenzentlastung aufgrund des im europäischen Mitgliedsstaat Irland durchgeführten Verfahrens erfolgen müsse.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist hinsichtlich der begehrten Feststellung, dass durch erfolgte Insolvenzentlastung gemäß Certificate Discharge from Bankruptcy die durch Abrechnungsbescheid ausgewiesene Forderung nicht bestehe sowie die Steuerschuld erloschen und die Einleitung und/oder Fortführung vollstreckungsrechtlicher Maßnahmen der Finanzverwaltung unzulässig sei, unzulässig (FG Berlin-Brandenburg 19.2.25, 16 K 16133/24, Abruf-Nr. 250451). Denn insoweit besteht Rechtsschutz durch die Möglichkeit, den Abrechnungsbescheid als solchen anzufechten und im Wege der Anfechtungsklage zu erreichen, dass die Steuerverbindlichkeiten im Abrechnungsbescheid erlöschen.

Die Klage ist hinsichtlich der begehrten Aufhebung des Bescheids vom 25.4.24 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.7.24, die vom Gericht rechtsschutzwahrend als Anfechtungsklage dahin ausgelegt wird, dass in dem Abrechnungsbescheid von dem Erlöschen der Steuerverbindlichkeiten ausgegangen werden soll, unbegründet.

Relevanz für die Praxis

Da das deutsche Recht einzelne Vorgänge von der Restschuldbefreiung ausnimmt, kann es für einen Betroffenen sinnvoll sein, seinen Wohnsitz ins Ausland zu verlagern. Denn gem. § 302 InsO werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt:

  • Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO anzumelden;
  • Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
  • Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

Nach dem Ordre public ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist, vgl. Art. 33 EUInsVO, aber auch Art. 6 EGBGB.

Merke — Nach Art. 33 EUInsVO kann sich jeder Mitgliedstaat weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen oder eine in einem solchen Verfahren ergangene Entscheidung zu vollstrecken, soweit diese Anerkennung oder diese Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar ist.

Rechtsstaatlichen Bedenken kann nach der Rechtsprechung ggf. mit einer entsprechenden Anwendung des kollisionsrechtlichen Ordre public begegnet werden, dem zufolge eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts – insbesondere mit den Grundrechten – unvereinbar ist, s. Art. 6 EGBGB (vgl. BFH 14.11.18, I R 81/16, BStBl II 19, 390).

Zivilgerichte haben die Anwendung des Ordre-public-Vorbehalts teilweise bejaht (vgl. OLG Düsseldorf 23.8.13, I-22 U 37/13).

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass ein Verstoß gegen den deutschen Ordre public nur ausnahmsweise anzunehmen sei. Der Ordre public sei als Ausnahme von der Regel (Anerkennung) strikt und eng auszulegen. Erforderlich sei eine offensichtliche Verletzung wesentlicher Grundsätze des deutschen Rechts. Der Steuerschuldner, der eine Steuerhinterziehung begangen hat, solle zwar aus seiner Auflehnung gegen die deutsche Rechtsordnung keine Früchte ziehen können. Indes hafte diese Auflehnung nicht der Restschuldbefreiung als solcher an, sondern vielmehr früherem, anderweitigem Verhalten des Schuldners. Bei einer deutschen Restschuldbefreiung lasse der deutsche Gesetzgeber seine Missbilligung auch auf die Restschuldbefreiung durchschlagen.

Gegen eine Ordre-public-Qualität des § 302 Nr. 1 Nr. 3 InsO wird ins Feld geführt, dass die Materialien keine herausragende Wertigkeit belegten. Insbesondere werde aber eingewandt, der Gerechtigkeitsgehalt dieser Ausnahme von der Restschuldbefreiung sei zweifelhaft (vgl. Mankowski in: Jaeger, InsO, § 343, dort insbesondere Rn. 104, 106, 108 und 165-169). Der Senat folgt dieser Auffassung jedoch nicht.

Merke — Strafbare Handlungen werden nach dem deutschen Insolvenzrecht nicht von einer Restschuldbefreiung erfasst. Dies ist Ausdruck einer grundlegenden Entscheidung des Gesetzgebers, Steuerhinterzieher nicht auch noch mit einer Schuldbefreiung zu belohnen.

Das FG hat allerdings die Revision zum BGH zugelassen. Anders als der erkennende Senat hält das Sächsische Finanzgericht (12.4.23, 4 K 796/20) das Erlöschen von auf einer Steuerhinterziehung beruhenden Steuerverbindlichkeiten durch das Durchlaufen eines Insolvenzverfahrens im europäischen Ausland grundsätzlich für möglich und hat dies bei dem dortigen Fall nur aufgrund einer Besonderheit des französischen Rechts verneint. Da die Rechtslage insoweit ungeklärt und für eine Vielzahl von Fällen bedeutsam ist, hat der Senat durch Gerichtsbescheid mit Revisionszulassung entschieden, um eine möglichst schnelle höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage zu ermöglichen.

Weiterführender Hinweis
  • Wegner, Ist ein Insolvenzverfahren in Irland Rettungsanker bei strafrechtlich bemakelten Steuerschulden?, PStR 25, 269

AUSGABE: PStR 1/2026, S. 5 · ID: 50632693

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