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VerkehrsrechtUnerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB): Fahrerlaubnisentzug und zivilrechtliche Fragen
| In VA 25, 127 haben wir über Rechtsprechung zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) berichtet, und zwar u. a. über den Begriff des Unfalls und des öffentlichen Unfallorts sowie über Verfahrensfragen. Den Bericht setzen wir hier fort mit Rechtsprechung zur Entziehung der Fahrerlaubnis und mit einigen zivilrechtlichen Entscheidungen. Die Übersicht erhebt insoweit aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Zusammenstellung hat den Stand von Anfang Juni 25. |
Übersicht 11: (Vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis | |
Entscheidung | Leitsatz/Sachverhalt |
BayVerfGH 15.2.23, Vf. 70-VI-21 | Hat sich der angegriffene Hoheitsakt erledigt, ist ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Verfassungsbeschwerde nur dann weiter gegeben, wenn ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vorliegt. Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO ist kein besonders schwerwiegender Grundrechtseingriff. |
VerfGH Saarland 8.11.22, Lv 13/22 | Staatsanwaltschaft und Gerichte müssen in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise prüfen, ob die Voraussetzungen der § 111a Abs. 1 S. 1 StPO, § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorliegen. Denn auch vorläufige Eingriffe in Freiheitsrechte können nicht mit vagen Annahmen und nicht näher plausibilisierten oder angreifbaren Schätzungen von Strafverfolgungsbehörden gerechtfertigt werden. Sie benötigen eine hinreichende tatsächliche Grundlage. |
BayObLG 17.12.19, 204 StRR 1940/19, DAR 20, 268 | Ein bei einem Verkehrsunfall verursachter Fremdschaden für Reparaturkosten in Höhe von 1.903,89 EUR netto ist jedenfalls ein bedeutender Schaden i. S. d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB. Damit liegt ein Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis vor. |
KG 10.12.21, (3) 161 Ss 113/21 (56/21) | Der bloße Zeitablauf begründet es nicht, von der Anordnung einer Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen. Der Umstand, dass der Führerschein der Angeklagten erst rund zwei Monate nach der vorläufigen Entziehung einbehalten werden konnte, rechtfertigt es nicht, die Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ausnahmsweise nicht auf das Fahrverbot anzurechnen. |
KG 3.8.21, (3) 121 Ss 60/21 (32/21); OLG Koblenz 23.3.22, 5 OLG 32 Ss 214/21, DAR 23, 466 | Wenn sich der Angeklagte in prozessordnungskonformer Weise verteidigt und die Tat leugnet, kann hieraus nicht der Schluss auf eine charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gezogen werden. |
OLG Hamm 5.4.22, III-5 RVs 31/22, DAR 22, 398; LG Dresden 7.5.19, 3 Qs 29/19, DAR 19, 527; LG Dresden 6.4.20, 3 Qs 16/20, DAR 20, 344 | Die Wertgrenze für einen bedeutenden Schaden i. S. v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt jedenfalls nicht unter 1.500 EUR. |
OLG Koblenz 23.3.22, 5 OLG 32 Ss 214/21, DAR 23, 466 | Für das subjektive Element des Regelfalls nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB reicht es aus, dass der Täter die objektiven Umstände erkennen konnte, die einen bedeutenden Sachschaden begründen. Stellt das Gericht hierauf ab, müssen die Urteilsgründe die entsprechenden Feststellungen enthalten. Die im Rahmen der Maßregelanordnung gebotene Abwägung muss alle Gesichtspunkte enthalten, die die Indizwirkung des Regelfalls entkräften können. Ist der Angeklagte Berufskraftfahrer und somit auf den Besitz einer Fahrerlaubnis für die Berufsausübung angewiesen, sind Ausführungen zu den beruflichen Konsequenzen eines Fahrerlaubnisentzugs erforderlich. Weiter ist vorliegend in der Abwägung zu berücksichtigen, dass seit der verfahrensgegenständlichen Tat bis zur Berufungshauptverhandlung gut 16 Monate vergangen waren, innerhalb derer keine Verkehrsverstöße des Angeklagten bekannt wurden. |
OLG Zweibrücken 14.6.21, 1 OLG 2 Ss 1/21 | Die Frage, ob der Tat aufgrund der vergleichsweise geringen Höhe des verursachten Fremdschadens Ausnahmecharakter beizumessen ist, bemisst sich nicht an dem Maß des Überschreitens eines Grenzwerts. Maßgebend ist vielmehr, dass sich der konkret verursachte Fremdschaden im Verhältnis zu den denkbaren Fällen der Fahrerflucht als verhältnismäßig niedrig erweist, mithin am Grad der Abweichung vom Durchschnittsfall. Zwar wird die Regelvermutung zumeist nur widerlegt sein, wenn abgesehen von der Schadenshöhe und der Verursachung einer Kollision außerhalb des fließenden Verkehrs die Voraussetzungen des § 142 Abs. 4 StGB gewahrt sind, der Täter also freiwillig innerhalb von 24 Stunden nach einem Unfall die erforderlichen Feststellungen nachträglich ermöglicht hat und lediglich ein Sachschaden eingetreten ist. Hat der Täter (erst) einige Tage nach der Kollision seine Verantwortlichkeit gegenüber dem Geschädigten angezeigt, ist aber die Annahme eines Ausnahmefalls nicht generell ausgeschlossen, wenn weitere Umstände vorliegen. |
OLG Stuttgart 22.10.21, 1 Ws 153/21, VRS 141, 108 | Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kann im Einzelfall auch sechzehn Monate nach Tatbegehung verhältnismäßig sein. Resultiert die Verfahrensverzögerung aus der Sphäre der Verteidigung bzw. des Angeklagten, ist dies bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer erst später vorgenommenen Maßnahme nach § 111a StPO zu berücksichtigen. Berücksichtigt man, dass der Angeklagte in den vergangenen sechzehn Monaten die jederzeitige Entziehung seiner Fahrerlaubnis befürchten musste, jedoch die ursprünglich vorgesehenen acht Monate Sperrzeit zwischenzeitlich bereits zweimal abgelaufen gewesen wäre, ist darüber nachzudenken, ob eine Verfahrensverzögerung durch „Abwarten und Bestreiten“ zielführend ist. |
LG Berlin 1.4.19, 534 Qs 23/19, VRS 135, 266 | Die Einschätzung der Reparaturkosten durch den Polizeibeamten vor Ort ist in der Regel ein wichtiges Indiz dafür, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat subjektiv erkennen konnte, ob ein bedeutender Schaden entstanden war. Nur ausnahmsweise, wenn die Einschätzung der Reparaturkosten durch den Polizeibeamten vor Ort völlig abwegig ist, weil sie im krassen, auch für den technischen Laien erkennbaren Widerspruch zu dem Schadensbild steht, entfaltet die Einschätzung keine Indizwirkung. |
LG Berlin 26.2.20, 501 Qs 18/20 | Auch nach der Änderung des § 44 Abs. 1 StGB und unter Berücksichtigung des Verbraucherpreisindexes besteht keine Veranlassung, die Wertgrenze für einen bedeutenden Fremdschaden i. S. d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB von 1.500 EUR auf 2.500 EUR anzupassen (entgegen LG Nürnberg-Fürth 28.8.18, 5 Qs 58/18, NZV 20, 55). |
LG Bochum 6.12.22, 1 Qs 59/22 | Ob ein bedeutender Schaden i. S. d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorliegt, ist nach den objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, um den das Vermögen des Geschädigten als unmittelbare Folge des Unfalls gemindert wird. Als Untergrenze für das Vorliegen eines bedeutenden Schadens i. S. v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erscheint ein Betrag von 1.750 EUR als angemessen. |
LG Darmstadt 6.2.20, 3 Qs 57/20, zfs 20, 531 | Die Wertgrenze des bedeutenden Sachschadens ist ebenso wenig an die Lebenshaltungskosten anzupassen wie etwa der Wert einer geringwertigen Sache i. S. v. § 243 Abs. 2 StGB. Es ist nach wie vor von einer Wertgrenze von 1.300 EUR auszugehen. |
LG Dortmund 25.3.19, 32 Qs 35/19 | Vom Wissen des Täters von einem bedeutenden Schaden kann nicht dann ausgegangen werden, wenn die Lichtbilder des beschädigten Pkw bei laienhafter Betrachtung eher für einen oberflächlichen Lackschaden sprechen und die hinzugerufene Polizei den Schaden lediglich mit 1.200 EUR beziffert. Damit würde selbst eine Wertgrenze von (damals) 1.300 EUR nicht erreicht. |
LG Bielefeld 2.2.24, 10 Qs 51/24; LG Hamburg 9.8.23, 612 Qs 75/23; AG Duisburg 27.10.20, 204 Gs 146/20 | Ein bedeutender Schaden an fremden Sachen i. S. d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist entstanden, wenn die Reparatur eines Kfz die Wertgrenze von 1.800 EUR überschreitet. Bei der Beurteilung eines Schadens als bedeutend i. S. d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sind auch die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und die Einkommensentwicklung zu berücksichtigen. |
LG Hanau 26.3.19, 4b Qs 26/19 | Ein bedeutender Sachschaden i. S. v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt ab einem Betrag von 1.600 EUR vor. Diese Anpassung der Wertgrenze nach oben ist im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen Jahren geboten. |
LG Hannover 19.2.20, 46 Qs 11/20 | Eine Abweichung von der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB setzt eine konkret- individuelle Betrachtung voraus. Eine konkret-generelle Betrachtung des Gerichts dahingehend, dass die einschneidenden Sanktionen der §§ 69, 69a StGB in Fällen des Aus- und Einparkens auf großen Parkplätzen unverhältnismäßig sind, reicht für eine entsprechende Abweichung nicht aus. |
LG Hechingen 8.3.24, 3 Qs 13/24 | Im Stadium zwischen erster und zweiter Instanz sind für die Beschwerdeentscheidung die Tatsachenfeststellungen und Wertungen im erstinstanzlichen Urteil grundsätzlich hinzunehmen. Liegt zum Beschwerdezeitpunkt bereits ein erstinstanzliches Urteil vor, ist das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der größeren Sachnähe und der besseren Erkenntnismöglichkeit des Erstgerichts regelmäßig an dessen Feststellungen zur charakterlichen Eignung gebunden. Das gilt auch für die Feststellungen hinsichtlich des bedeutenden Fremdschadens i. S. v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB. |
LG Nürnberg-Fürth 5.12.19, 5 Qs 73/19, DAR 20, 217 | Ein bedeutender Fremdschaden i. S. d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist ab einem Betrag von 2.500 EUR netto gegeben. |
LG Stuttgart 4.8.23, 9 Qs 39/23 | Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist unverhältnismäßig, wenn sie mehr als 13 Monate nach dem Unfallereignis erfolgt und die bisherige Sachbehandlung durch die Ermittlungsbehörde und das Gericht zudem eklatant gegen das Beschleunigungsgebot verstößt. |
AG Gießen 2.6.22, 507 Gs – 804 Js 5325/22; AG Wuppertal 14.4.22, 27 Gs 15/22 | Die Indizwirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB setzt voraus, dass der Täter weiß oder wissen kann, dass erhebliche Folgen eingetreten sind. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt, an dem der Beschuldigte die Unfallstelle verließ. |
AG Wuppertal 14.4.22, 27 Gs 15/22 | Es liegt ein atypischer Fall vor, bei dem die Regelwirkung nicht greift, wenn die Beschuldigte vor dem Entfernen vom Unfallort Kontakt mit einem Mitarbeiter einer Tankstelle gehabt hat, der sich ihr Kennzeichen notierte und dem sie mitteilte, kurz ihren Enkel wegbringen zu wollen und danach sofort zum Unfallort zurückzukehren, und sie eine halbe Stunde später wie angekündigt an den Unfallort zurück gekehrt ist. |
AG Itzehoe 27.2.24, 40 Gs 579/24 | Lässt sich aus der Verfahrensakte nicht ermitteln, wie die Schadenshöhe eines bei einem Verkehrsunfall verursachten Schadens ermittelt wurde, lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Schaden über der Erheblichkeitsgrenze liegt. Hat sich der Beschuldigte zwar zunächst – ggf. aus Panik – vom Unfallort entfernt, wurde dann aber die Leitstelle der Polizei sehr zeitnah über den Unfall informiert und hat sich der Beschuldigte zum Unfallort zurückbegeben und dort gegenüber der Polizei den Unfall und seine Beteiligung eingeräumt, liegt keine charakterliche Ungeeignetheit vor, die die Entziehung der Fahrerlaubnis notwendig macht. |
Übersicht 12: Exkurs zu zivilrechtlichen Frage | |
Entscheidung | Leitsatz/Sachverhalt |
OLG Celle 25.4.19, 8 U 210/18, NZV 19, 534 | Das sich aus § 18 Abs. 8 StVO ergebende Halteverbot auf Autobahnen kann bei einem Schutzplankenschaden der Annahme einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit aus E.1.1.3 AKB 2015 (Wartepflicht am Unfallort) entgegenstehen. |
OLG Dresden 21.8.3, 4 U 476/23, zfs 24, 34 | § 142 StGB ist kein Schutzgesetz zugunsten des Kaskoversicherers. |
OLG Hamm 4.5.22, I-30 U 200/21, zfs 22, 688 | Dass die nicht erfolgte Benachrichtigung der Polizei nach einem Touchieren der Leitplanke während einer Autobahnfahrt Einfluss auf den Umfang der Leistungspflicht der Kaskoversicherung für einen Mietwagen hatte oder die Regulierung bei Benachrichtigung einen anderen Verlauf genommen hätte, muss erstinstanzlich dargelegt werden. Allein der pauschale Vortrag, es sei nachträglich nicht mehr möglich, sämtliche Tatsachen am Unfallort im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall von der Polizei als neutraler Instanz feststellen zu lassen, ist hierfür nicht ausreichend. |
OLG Karlsruhe 6.8.20, 12 U 53/20, zfs 20, 568 = NZV 21, 154 | Der Versicherte verletzt nicht die Aufklärungsobliegenheit gemäß E.1.1.3, 1. Spiegelstrich AKB 2015, wenn er nach einem schweren Verkehrsunfall ohne Fremdbeteiligung und bei klarer Haftungslage zur Nachtzeit im Januar auf einer Landstraße in dörflicher Gegend, bei dem er sich eine blutende Kopfverletzung zugezogen hatte, trotz eines verursachten Fremdschadens von ca. 200 EUR den Unfallort zur ärztlichen Abklärung seines Gesundheitszustands ohne Einhaltung einer Wartezeit verlässt. Jedenfalls ist in einem solchen Fall das Entfernen von der Unfallstelle berechtigt. In diesem Fall genügt der Versicherte noch einer etwaigen Obliegenheit zur unverzüglichen nachträglichen Ermöglichung von Feststellungen, wenn er die Polizei am nächsten Morgen telefonisch unterrichtet. |
OLG Karlsruhe 20.1.22, 12 U 267/21, zfs 22, 210 | Selbst wenn man nach einem spätabendlichen Unfall mit eindeutiger Haftungslage eine unverzügliche nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen entsprechend § 142 Abs. 2 StGB im Einzelfall noch annehmen kann, wenn der Unfallbeteiligte die Feststellungen bis zum frühen Vormittag des darauffolgenden Tages ermöglicht (Anschluss OLG Saarbrücken 10.2.16, 5 U 75/14, zfs 16, 211), überschreitet das Warten bis zum übernächsten Tag die Grenze der Unverzüglichkeit deutlich. |
OLG Koblenz 11.12.20, 12 U 235/20, zfs 21, 211 | Ein Versicherungsnehmer, der nach einer Kollision mit der Leitplanke auf der Autobahn die Unfallörtlichkeit verlässt, anschließend auf einem Rastplatz die Beschädigungen an seinem Auto in Augenschein nimmt und seine Fahrt fortsetzt, ohne die Polizei und/oder seine Kaskoversicherung zu informieren, verletzt die Wartepflicht aus E.1.3 der AKB und verwirklicht den objektiven Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. |
OLG Saarbrücken 31.7.24, 5 U 102/23 | Eine bloß eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Versicherungsnehmers hat auf die Annahme einer vorsätzlichen Aufklärungsobliegenheit keine Bedeutung; denn solange der Versicherungsnehmer nicht den Zustand einer Zurechnungsunfähigkeit i. S. v. § 827 BGB erreicht, ein Ausschluss der Wahrnehmungsfähigkeit oder der freien Willensbestimmung also noch nicht eingetreten ist, bleibt sein vorsätzliches Handeln möglich. Der Versicherungsnehmer muss beweisen, dass er beim Verlassen der Unfallstelle nicht einsichts- und schuldfähig gewesen ist. |
OLG Saarbrücken 12.2.25, 5 U 42/24, Abruf-Nr. 249044 | Der Versicherungsnehmer hat die Obliegenheit, nach einem Verkehrsunfall „alles“ zu tun, was zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich ist, insbesondere nach Verlassen der Unfallstelle. Das durch § 142 Abs. 2 StGB geschützte Aufklärungsinteresse des Kfz-Versicherers wird zwar durch eine unmittelbar an ihn oder seinen Agenten erfolgende unverzügliche Mitteilung mindestens ebenso gut gewahrt wie durch eine nachträgliche Benachrichtigung des Geschädigten, nicht jedoch durch die (behauptete) Unterrichtung eines als solchen erkennbar nicht der Sphäre des Versicherers zuzurechnenden Versicherungsmaklers, den der Versicherungsnehmer mit der Meldung des Schadens beauftragt und der diese nicht unverzüglich an den Versicherer weitergeleitet hat. |
LG Berlin 10.5.23, 46 S 58/22 | Die pauschale Annahme, dass in Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort stets Arglist vorliegt, ist unzulässig. Erforderlich ist die Betrachtung des Einzelfalls. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Obliegenheitsverletzung an (§ 28 VVG). |
LG Kassel 24.8.21, 5 O 37/21, DAR 21, 632 = zfs 22, 214 | Eine Pflicht, vor Verlassen des Unfallorts stets die Polizei zu rufen, wenn innerhalb der Wartefrist des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB keine feststellungsbereiten Personen eintreffen, besteht nicht. |
LG Magdeburg 8.10.19, 11 O 1063/19, zfs 20, 389 | Ein den Verbleib an der Unfallstelle gebietender Fremdschaden liegt nicht vor, wenn der Versicherungsnehmer von der Straße in einen Graben fährt und dabei von einem Baum etwas Rinde abschabt. Dies gilt jedenfalls, wenn die Lebenserwartung des Baumes dadurch nicht beeinträchtigt ist. |
LG Potsdam 24.5.22, 13 S 18/21, zfs 22, 512 | Bei dem Verlassen einer Unfallstelle ohne Hinzuziehen der Polizei ist grundsätzlich von einer bedingt vorsätzlichen Verletzung der Aufklärungspflicht i. S. v. Nr. E 1.2 AKB auszugehen. Das Hinterlassen eines Zettels mit den Daten der Erreichbarkeit an der Windschutzscheibe schließt die Obliegenheitsverletzung nicht aus. Auch führt die Einstellung des Strafverfahrens wegen eines Verstoßes gegen § 142 StGB durch die Staatsanwaltschaft für sich genommen noch nicht dazu, dass der Vorsatz für die Aufklärungspflichtverletzung ausgeschlossen ist. |
AG Brandenburg 28.4.25, 31 C 159/24, Abruf-Nr. 248666 | Der § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) ist als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Rechtskräftige Strafurteile dürfen im Wege des Urkundenbeweises in den Zivilprozess eingeführt werden (§§ 286, 432 ZPO). |
AG Erkelenz 2.3.23, 8 C 19/22, SVR 23, 313 | Begeht der Versicherte eine Unfallflucht und trinkt anschließend eine nicht unerhebliche Menge Alkohol, sodass die Kfz-Haftpflichtversicherung keine objektiven Feststellungen mehr dazu treffen kann, ob der Versicherte bei dem Unfall unter Alkoholeinfluss stand und seine Fahrtüchtigkeit hierdurch eingeschränkt war, dann geht dies im Rahmen des Regressprozesses der Versicherung zulasten des Versicherten; dieser kann sich in einem solchen Fall nicht auf einen Kausalitätsgegenbeweis berufen. |
AUSGABE: VA 8/2025, S. 144 · ID: 50455514