Apr. 2025
Aktuell geöffnet
Ausgabe abgeschlossen
Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Apr. 2025 abgeschlossen.
StrafrechtDie Rechtsprechung in Verkehrs-OWi-Sachen zum Verfahrensrecht in 2024
Favorit hinzufügen
Hinweis an Redaktion
| Der Beitrag stellt Ihnen im Anschluss an VA 24, 69 die wichtigsten Entscheidungen aus dem Jahr 2023 aus dem verfahrensrechtlichen Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten vor. Über das materielle Recht haben wir in VA 25, 53 berichtet. |
Rechtsprechungsübersicht / Verkehrsstrafrechtliche Entscheidungen 2024 |
Anwesenheit in der Hauptverhandlung, Entbindungsantrag Die antragsgemäß nicht auf einen konkreten Termin bezogene Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 73 Abs. 2 OWiG wirkt bei Verlegung des Hauptverhandlungstermins fort. Daher muss ein Entbindungsbeschluss des Gerichts für den neuen Termin nicht erneut beantragt und erlassen werden (BGH 10.10.23, 4 StR 94/22, Abruf-Nr. 239359, VA 24, 102; vgl. auch OLG Oldenburg 16.5.24, 2 ORbs 74/24, DAR 24, 518). Ein Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG ist an keine bestimmte Form gebunden (OLG Brandenburg 21.2.24, 1 ORbs 19/24, Abruf-Nr. 240785). Hat der Betroffene mitgeteilt, zur fraglichen Zeit das Fahrzeug geführt zu haben und in der Hauptverhandlung keine weiteren sachdienlichen Angaben zu machen, ist es i. d. R. naheliegend, ihn vom persönlichen Erscheinen zu entbinden (OLG Brandenburg 21.2.24, 1 ORbs 19/24, Abruf-Nr. 240785, VA 24, 122; OLG Hamm 30.4.24, 5 ORbs 80/24, Abruf-Nr. 242806). Die rein spekulative Annahme, der Betroffene könne sich möglicherweise doch äußern, genügt für eine Ablehnung nicht (OLG Oldenburg 26.11.24, 2 ORbs 172/24, Abruf-Nr. 245296). Auch wenn ein Entbindungsantrag ggf. nicht rechtzeitig vor dem Termin gestellt worden ist, kann der Betroffene dennoch davon ausgehen, dass sein Antrag Berücksichtigung finden würde, wenn der Verteidiger, kurze Zeit nach Übersendung des Antrags die zuständige Serviceeinheit telefonisch über den übermittelten Antrag informiert hat und dies in der Rechtsbeschwerdebegründung auch versichert (OLG Oldenburg 7.5.24, 2 ORbs 63/24, Abruf-Nr. 242083, VA 24, 193). Befindet sich der auf einem drei Tage vor einem Hauptverhandlungstermin per beA übermittelten Entbindungsantrag zwar erst am Ende eines mehrseitigen Schriftsatzes, wird aber auf der ersten Seite auf den Gerichtstermin mit dem Zusatz „EILT SEHR !“ hingewiesen, kann der Betroffene von der Berücksichtigung seines Antrags ausgehen (OLG Oldenburg 22.5.24, 2 ORbs 79/24, Abruf-Nr. 242808; zu rechtsmissbräuchlichem Verteidigerhandeln im Zusammenhang mit dem (Nicht-)Stellen eines Entbindungsantrags (OLG Oldenburg 16.5.24, 2 ORbs 74/24, DAR 24, 518). |
Anwesenheit in der Hauptverhandlung, genügende Entschuldigung Es kommt nicht darauf an, dass sich der Betroffene genügend entschuldigt hat. Vielmehr genügt es, dass eine beim Vorhandensein von Anhaltspunkten von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass das Fernbleiben des Betroffenen genügend entschuldigt ist (OLG Naumburg 7.5.24, 1 ORbs 98/24, Abruf-Nr. 242807). |
Auslagenerstattung, privates Gutachten Ausnahmsweise werden die Kosten (z. B. für ein privates Sachverständigengutachten) als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre (LG Konstanz 7.10.2024, 4 Qs 53/24, Abruf-Nr. 246466; AG Senftenberg 28.2.24, 50 OWi 1617 Js 22408/22, Abruf-Nr. 240780 zu den Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind (zur Höhe der Erstattung LG Konstanz 7.10.24, 4 Qs 53/24, Abruf-Nr. 246466; AG Konstanz 22.5.24, OWi 52 Js 22028/22, Abruf-Nr. 242074, VA 24, 159). |
beA / elektronisches Dokument Legt der Betroffene/Angeklagte sein Rechtsmittel durch (einfache) E-Mail ein, genügt dies nicht der gesetzlichen Schriftform gemäß § 32a Abs. 3 StPO, § 110c OWiG, wenn die E-Mail weder mit einer qualifizierten elektronischen |
Signatur der das Dokument verantwortenden Person versehen noch vom Verfasser signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden ist. Dem Schriftformerfordernis wird aber ausnahmsweise dadurch genügt, wenn die E-Mail ausgedruckt und zur Akte genommen wurde. Aus dem Schriftstück muss dann jedoch der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, schon im Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung bei Gericht hinreichend zuverlässig entnommen werden können (OLG Brandenburg 15.1.24, 2 Ws 187/23, Abruf-Nr. 240786). Über die weitere Digitalisierung der Justiz haben wir in VA 24, 156 berichtet. |
Bußgeldbescheid, Wirksamkeit Die falsche Angabe zum Tatort beeinträchtigt weder die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids noch der Verjährungsunterbrechung, wenn der richtige und der falsche Tatort nahe beieinanderliegen und für den Betroffenen der wahre Tatort auch deshalb ohne Weiteres erkennbar ist, weil er sogleich nach der Verkehrsordnungswidrigkeit von Polizeibeamten angehalten worden ist und sich ihnen gegenüber zu der Zuwiderhandlung äußern konnte (KG 23.9.24, 3 ORbs 166/24 – 122 SsBs 37/24, Abruf-Nr. 244223). Weitere Rechtsprechung VA 24, 124 ff. u. 160 ff. |
Bußgeldverfahren, Rückgabe der Sache an die Verwaltungsbehörde Im Verfahren nach § 69 Abs. 5 OWiG kann die Verwaltungsbehörde das Verfahren nicht dadurch beenden, dass sie ohne die aufgegebene Sachaufklärung über die Staatsanwaltschaft mitteilt, der Bußgeldbescheid sei „zurückgenommen“ und die „Akte entnommen“. Vielmehr ist dann das Verfahren gemäß § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückzugeben (AG Dortmund 6.2.24, 729 OWi-250 Js 2543/23-154/23, Abruf-Nr. 240258, VA 24, 120). |
Einspruch, Beschränkung/Rücknahme Der Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid steht nicht entgegen, dass der Bußgeldbescheid keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform enthält. Voraussetzung ist aber, dass die Verfolgungsbehörde ihrer Tatahndung – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der für eine tateinheitliche oder tatmehrheitliche Verwirklichung nach §§ 19, 20 OWiG zu beachtenden Zumessungskriterien – offensichtlich die Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) zugrunde gelegt hat (OLG Düsseldorf 27.8.24, 2 ORbs 83/24; OLG Jena 2.9.24, 1 ORbs 371 SsBs 96/24, Abruf-Nr. 244226). Ein etwaig erteilter richterlicher Hinweis betreffend die Schuldform, wie z. B. die mögliche Verurteilung wegen einer Vorsatztat, steht der Beschränkung des Einspruchs nicht entgegen, selbst wenn der Bußgeldbescheid keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Schuldform enthält, die vorgesehene Rechtsfolge sich aber innerhalb des Regelrahmens der Bußgeldkatalogverordnung bewegte und die vorgeworfene Schuldform hieraus abgeleitet werden kann (OLG Jena 2.9.24, 1 ORbs 371 SsBs 96/24, Abruf-Nr. 244226). Hat der Betroffene den Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt, sind ihm Einwendungen gegen das zum Schuldspruch führende Verfahren in der Regel nicht mehr möglich (KG 24.1.24, 3 ORbs 280/23, Abruf-Nr. 240273, VA 24, 100). |
Einsicht in Messunterlagen/Rohmessdaten Soweit ein Messgerät Daten zu statistischen Zwecken speichert, die keinen Bezug zu der Einzelmessung haben, kommt diesen Daten keine Relevanz für die Überprüfung des Messergebnisses zu. Hat das Gericht in der Hauptverhandlung die nur mihilfe des öffentlichen Schlüssels (Public Key) mögliche Überprüfung der Authentizität der Messdaten vorgenommen, kann der Betroffene die Überlassung des öffentlichen Schlüssels nicht beanspruchen. Der Anspruch auf nicht bei den Akten befindliche Messunterlagen besteht nur hinsichtlich solcher Informationen, die bei der Bußgeldbehörde tatsächlich vorhanden sind. Versteht sich das nicht von selbst (hier: Grundlagen einer geschwindigkeitsbegrenzenden Beschilderung), bedarf es zur Ausfüllung einer diesbezüglichen Verfahrensrüge entsprechenden Vortrags (OLG Karlsruhe 25.4.24, 2 ORbs 35 Ss 425/23, zfs 24, 530). |
Das Recht auf ein faires Verfahren ist verletzt, wenn das Bußgeldgericht nicht sicherstellt, dass dem Betroffenen die Token-Datei und das Passwort zur Verfügung gestellt werden, damit dieser die überlassene Falldatei entschlüsseln und (aus-)lesen und so die Integrität der Messdaten prüfen kann (OLG Saarbrücken 14.3.24, 1 Ss (OWi) 7/24, DAR 24, 405). Dem Verteidiger sind die Messunterlagen in Form des ersten und des letzten Bildes der gesamten Messreihe sowie jeweils 5 Bilder vor und nach der Messung des Betroffenen im Rahmen einer Akteneinsicht zur Verfügung zu stellen (AG Passau 13.2.24, 4 OWi 749/23, Abruf-Nr. 240261, VA 24, 121). Dem Verteidiger ist auf Antrag die vollständige Messreihe zur Verfügung zu stellen (AG Köln 2.10.24, 815 OWi 103/24 (b), Abruf-Nr. 244732). Vgl. auch die Zusammenstellung der Rechtsprechung VA 24, 68. |
Einstellung des Verfahrens, Allgemeines Das Gericht entscheidet über eine Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG nach pflichtgemäßem Ermessen. Zulässige Überlegungen sind dabei etwa der erforderliche Aufwand zur Aufklärung der unklaren Sachlage und der damit verbundene unverhältnismäßige Ermittlungsaufwand (AG Bad Saulgau 17.7.24, 1 OWi 12 Js 12046/24). Stellen die Polizei oder die Verwaltungsbehörde trotz einer richterlichen Verfügung die Rohmessdaten und Bedienungsanleitung für den Verteidiger nicht zur Verfügung, ist das Verfahren ggf. nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen (AG Dortmund 14.12.23, 729 OWi-260 Js 2315/23-135/23, Abruf-Nr. 239088). |
Einstellung, Auslagenerstattung Zur Auslagenerstattung nach Verfahrenseinstellung (des Bußgeldverfahrens) haben im Berichtszeitraum verschiedene Gerichte Stellung genommen, und zwar für den Betroffenen positiv (BVerfG 27.9.24, 2 BvR 375/24, Abruf-Nr. 245292; VerfGH Sachsen 23.5.24, Vf. 22-IV-23, Abruf-Nr. 243340; LG Karlsruhe 25.8.23, 6 OWi 260 Js 8092/23, Abruf-Nr. 240259, VA 24, 123, das einen Beschluss des AG Karlsruhe (VA 24, 123), aufgehoben hat; LG Wiesbaden 7.6.14, 2 Qs 47/24, Abruf-Nr. 242803, VA 24, 15. Zulasten des Betroffenen haben entschieden AG St. Ingbert 12.12.23, 22 OWi 66 Js 1319/23 (2348/23), Abruf-Nr. 240262). Nach Auffassung des AG Landstuhl entfällt die Unzumutbarkeit von Angaben, die einen nahen Angehörigen belasten, sobald hinsichtlich des Angehörigen Verfolgungsverjährung eingetreten ist und dieser benannt werden muss (Rechtsgedanke des § 109a Abs. 2 OWiG) (AG Landstuhl 11.7.24, 2 OWi 4211 Js 14253/23, Abruf-Nr. 246460). |
Einstellung, Strafverfahren § 153 Abs. 2 S. 4 StPO ist einschränkend dahin auszulegen, dass sich die Unanfechtbarkeit allein auf die Ermessensentscheidung bezieht. Die Beschwerde ist jedoch statthaft, wenn eine prozessuale Voraussetzung für die Einstellung fehlte (BayObLG 9.1.24, 202 StRR 98/23, Abruf-Nr. 239587, VA 24, 85). |
Hauptverhandlung, rechtlicher Hinweis Möchte der Tatrichter die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße erhöhen, muss er grundsätzlich keinen Hinweis entsprechend § 265 StPO geben (KG 17.9.24, 3 ORbs 148/24 – 122 SsRs 36/24, Abruf-Nr. 244221). |
Rechtsbeschwerde, Allgemeines Hat das AG einen unbedingten Beweisantrag nicht (schon) in der Hauptverhandlung, sondern erst in den Urteilsgründen beschieden, ändert das an einem Verfahrensfehler, auf dem das Urteil beruht, nichts. Denn ein Urteil beruht schon dann auf einem Rechtsfehler, wenn es als möglich erscheint oder wenn nicht auszuschließen ist, dass es ohne den Rechtsfehler anders ausgefallen wäre (KG 29.1.24, 3 ORbs 14/24, Abruf-Nr. 240270). |
Rechtsbeschwerde, Begründung Beanstandet die Rechtsbeschwerde, ein in der Hauptverhandlung „vorsorglich“ gestellter Beweisantrag sei nicht beschieden worden, muss sie dartun, unter welcher Bedingung der Antrag gestellt worden ist und wodurch diese Bedingung eingetreten ist (KG 2.2.24, 3 ORbs 9/24, Abruf-Nr. 240269, VA 24, 122). Macht der Betroffene geltend, eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung habe zum Vorliegen eines Verfahrenshindernisses geführt, muss er – jedenfalls bei Vorliegen eines reinen Prozessurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG – eine Verfahrensrüge erheben, die der Formvorschrift des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG entsprechen muss, sofern die Verfahrensverzögerung noch vor Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist eingetreten ist (BayObLG 24.4.24, 201 ObOWi 339/24, Abruf-Nr. 242075, VA 24, 192). Gibt der Verteidiger durch einen distanzierenden Zusatz zu erkennen, dass er nicht die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen will oder kann, ist die Rechtsbeschwerdebegründung nach § 345 StPO formunwirksam (KG 7.6.24, 3 ORbs 99/24, Abruf-Nr. 244217). |
Rechtsbeschwerde, Zulassungsverfahren Hat das Amtsgericht einen rechtzeitig angebrachten Entbindungsantrag übergangen und gleichwohl den Einspruch des Betroffenen wegen unentschuldigten Ausbleibens nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, verletzt dies den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (OLG Brandenburg 21.2.24, 1 ORbs 19/24, Abruf-Nr. 240785, VA 24, 122). |
Unterschrift Zu den Anforderungen an eine wirksame Unterschrift unter Urteil, Strafbefehl oder Verfügung hat das BayObLG Stellung genommen (19.11.24, 204 StRR 576/24, Abruf-Nr. 245281). |
Urteilsgründe Auch im Bußgeldverfahren sollte der Tatrichter tunlichst davon absehen, Registerauszüge in die Urteilsgründe einzukopieren (KG 18.1.24, 3 ORbs 269/23, Abruf-Nr. 240272, VA 24, 101). Zum Urteil im Bußgeldverfahren VA 24, 198. |
Verjährungsfragen Die Zustellung eines Bußgeldbescheids unterbricht nur die Verjährung, wenn das Tatgeschehen hinreichend konkretisiert, also einwandfrei klar ist, welcher Lebensvorgang dem Betroffenen vorgehalten wird. Dieser muss von denkbaren ähnlichen oder gleichartigen Sachverhalten unterscheidbar sein (AG Augsburg 26.9.24, 45 OWi 605 Js 107352/24, Abruf-Nr. 245276). Geht die behördliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen auf den Fehler eines einzelnen Polizeibeamten zurück, wie z. B. ein nicht notierter Hausnummernzusatz bei den Personalien des Betroffenen, ist das der Verwaltungsbehörde grundsätzlich nicht zuzurechnen (KG 9.9.24, 3 ORbs 136/24 – 122 SsBs 32/24, Abruf-Nr. 244220). Eine Verjährungsunterbrechung nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG setzt voraus, dass der Bußgeldbescheid wirksam zugestellt wurde (OLG Saarbrücken 3.6.24, 1 Ss (OWi) 44/24, zfs 24, 464). Wird nach § 205 StPO eingestellt, ist dies kein Fall des Ruhens des Verfahrens i. S. v. § 32 OWiG. Darum wird hierdurch die Frist nach § 33 Abs. 3 S. 4 OWiG nicht verlängert (AG Rottweil 11.11.24, 9 OWi 27 Js 10046/23 (3), Abruf-Nr. 246461). |
Verwerfungsurteil War der Verteidiger nicht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG „mit nachgewiesener Vollmacht“ zur Vertretung befugt und deshalb auch nicht berechtigt, einen Entbindungsantrag für den Betroffenen zu stellen, ist der Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG zu verwerfen (KG 14.6.24, 3 ORbs 82/24 – 122 SsRs 13/24, Abruf-Nr. 244215). Das AG hat sich in den Gründen eines nach § 74 Abs. 2 OWiG ergangenen Verwerfungsurteils mit dem Entschuldigungsvorbringen des Betroffenen konkret und aus sich heraus verständlich zu befassen. Das OLG muss auf dieser Basis hinreichend überprüfen können, ob das AG zutreffend angenommen hat, dass der Betroffene ohne genügende Entschuldigung zum Termin der Hauptverhandlung nicht erschienen war (OLG Brandenburg 18.1.24, 2 ORbs 202/23, Abruf-Nr. 239588, VA 24, 103; OLG Naumburg 7.5.24, 1 ORbs 98/24, Abruf-Nr. 242807). |
Vollmachtsfragen Die Zustellung an den Wahlverteidiger ist unwirksam, wenn dessen Bevollmächtigung nicht gemäß § 145a Abs. 1 StPO nachgewiesen ist. Die anwaltliche Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung ist hierfür nicht ausreichend (LG Nürnberg-Fürth 2.7.24, 18 Qs 22/24, Abruf-Nr. 242802). Ein Zustellungsmangel nach § 51 Abs. 1 S. 1 OWiG, § 1 SVwZG, § 8 VwZG kann durch den tatsächlichen Zugang des Bußgeldbescheids beim Verteidiger nur geheilt werden, wenn eine Zustellungsvollmacht vorliegt (OLG Saarbrücken 3.6.24, 1 Ss (OWi) 44/24, zfs 24, 464). |
Wiedereinsetzung Es liegt keine für die Wiedereinsetzung erforderliche unverschuldete Fristversäumnis vor, wenn der anwaltlich vertretene Antragsteller in der Antragsschrift nach § 356a StPO nicht innerhalb der Wochenfrist mitgeteilt sowie nicht glaubhaft gemacht hat und auch sonst nicht ersichtlich ist, wann der Verurteilte von dem behaupteten Gehörsverstoß erstmals Kenntnis erlangt hat. Der Angeklagte/Betroffene muss sich – anders sonst im Straf- bzw. Bußgeldverfahren – das Verschulden seines Verteidigers an der Fristversäumung zurechnen lassen (BayObLG 26.2.24, 203 StRR 511/23, Abruf-Nr. 240783, VA 24, 138). Inwieweit ein Verfahrensbeteiligter einem Dritten die Besorgung prozessualer Angelegenheiten vertrauensvoll überlassen kann und in welchem Umfang er den Beauftragten kontrollieren muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Ein völliger Mangel eigener Bemühungen, sich um seine Sache zu kümmern, begründet aber ein eigenes Verschulden an der Versäumung einer Frist (AG Eilenburg 7.11.24, 8 OWi 614/24). |
Zustellungsfragen Wenn die Wirksamkeit der Zustellung an den Betroffenen nicht eindeutig ist, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Bußgeldbescheid den Betroffenen spätestens an dem Tag erreicht haben muss, an dem sich ein Verteidiger für den Betroffenen gegenüber der Bußgeldbehörde bestellt hat, wenn in dem Verteidigerschreiben ausdrücklich nur gegen einen möglicherweise bereits ergangenen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt wird (AG Karlsruhe (25.8.23, 6 OWi 260 Js 8092/23, Abruf-Nr. 240259, VA 24, 101). Die Heilung eines Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks gemäß § 189 ZPO i. V. m. § 37 Abs. 1 StPO; § 51 OWiG setzt voraus, dass eine Zustellung vom Gericht beabsichtigt war, diese muss folglich angeordnet worden sein (KG 12.12.23, 2 Ws 139/23, Abruf-Nr. 240268, VA 24, 101). Die (unwirksame) Zustellung eines Bußgeldbescheids wird nicht dadurch geheilt, dass dem Betroffenen von einem Familienangehörigen die erste Seite des Bußgeldbescheids per WhatsApp übersandt wird (AG Ulm 5.3.24, 5 OWi 2260/23, Abruf-Nr. 241509, VA 24, 178). Siehe auch noch VA 24, 197. Voraussetzung einer wirksamen Ersatzzustellung des Bußgeldbescheids durch Einlegen in den Briefkasten nach den § 51 Abs. 1 S. 1 OWiG, § 1 SVwZG, § 3 Abs. 2 S. 1 VwZG, § 180 ZPO ist der Vermerk des Datums der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks (OLG Saarbrücken 3.6.24, 1 Ss (OWi) 44/24, zfs 24, 464). |
AUSGABE: VA 4/2025, S. 71 · ID: 50306337
Sie möchten diesen Fachbeitrag lesen?
Login
Favorit setzen
Hinweis an Redaktion