Strafprozess
Bei widersprüchlichen Angaben wird erhöhter Aufwand abgegolten
Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Feb. 2025 abgeschlossen.
KündigungsschutzklagePflichtschlichtung vor Rechtsstreit: Verfahren und Gebühren im Überblick
| In arbeitsrechtlichen Angelegenheiten ist in bestimmten Fällen ein Schlichtungsverfahren vorgeschrieben, das durchgeführt werden muss, bevor ein Rechtsstreit eingeleitet wird (z. B. nach § 111 Abs. 2 ArbGG oder nach §§ 76a, 112 BetrVG). Für das Verfahren sieht Nr. 2303 Nr. 2, 3 und 4 VV RVG eine gesonderte 1,5-Geschäftsgebühr vor. Der folgende Praxisfall zeigt die Grundzüge und ein Beispiel, wie Sie dies abrechnen können. |
1. Gebührenrechtliche Angelegenheiten
Nach § 17 Nr. 7 RVG stellt das Schlichtungsverfahren eine eigene Angelegenheit dar. Dies gilt sowohl gegenüber der vorangegangenen außergerichtlichen Vertretung als auch gegenüber einem nachfolgenden Rechtsstreit. Insgesamt liegen somit drei gebührenrechtliche Angelegenheiten vor, nämlich
- außergerichtliche Vertretung,
- Tätigkeit im Schlichtungsverfahren und
- Tätigkeit im Rechtsstreit vor dem ArbG.
Merke | In allen drei Angelegenheiten erhält der Rechtsanwalt seine Vergütung gesondert, insbesondere auch eine gesonderte Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV RVG. |
2. Außergerichtliche Vertretung
Die außergerichtliche Vertretung ist auf den Ausspruch oder die Abwehr der Kündigung gerichtet. Hierfür erhält der Anwalt gemäß Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV RVG eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Der Gebührenrahmen beläuft sich auf 0,5 bis 2,5. Im Regelfall fällt eine Gebühr von 1,3 an. Die im Einzelfall angemessene Gebühr bestimmt der Anwalt unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG.
Der Gegenstandswert bestimmt sich gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 RVG nach § 42 Abs. 2 S. 1 GKG. Maßgebend ist der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts. Eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet.
3. Das Schlichtungsverfahren
Das Schlichtungsverfahren ist gegenüber der außergerichtlichen Tätigkeit eine eigene Angelegenheit (§ 17 Nr. 7 RVG). Der Anwalt erhält daher eine weitere Vergütung (§ 15 Abs. 1, 2 RVG). Die Gebühren richten sich dabei nach Nr. 2303 VV RVG. Dem Anwalt steht eine Geschäftsgebühr in Höhe von 1,5 zu. Im Gegensatz zur Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG besteht bei der Gebühr nach Nr. 2303 VV RVG kein Ermessensspielraum. Die Gebühr ist mit dem Satz von 1,5 festgeschrieben. Der Gegenstandswert richtet sich wiederum gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 RVG nach § 42 Abs. 2 S. 1 GKG.
Beachten Sie | Die vorangegangene Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG muss gemäß Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV RVG zur Hälfte – und höchstens zu 0,75 – auf die Gebühr nach Nr. 2303 VV RVG angerechnet werden.
4. Der Kündigungsschutzprozess
Im anschließenden Kündigungsschutzprozess erhält der Anwalt eine Vergütung nach den Nrn. 3100 ff. VV RVG. Das ist zunächst einmal eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Auf diese Gebühr ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG eine vorausgegangene Geschäftsgebühr der Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG anzurechnen. Da allerdings mehrere Geschäftsgebühren angefallen sind, wird nur die letzte Geschäftsgebühr angerechnet (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV RVG), also die 1,5-Gebühr nach Nr. 2303 VV RVG.
Beispiel | |
Der Arbeitgeber X kündigt gegenüber dem Auszubildenden A fristlos das Ausbildungsverhältnis (monatliche Ausbildungsvergütung: 800 EUR). Daraufhin beauftragt A Rechtsanwalt R, der zunächst außergerichtlich versucht, die Kündigung abzuwehren. Diese Tätigkeit ist weder umfangreich noch schwierig. Hiernach ruft R den zuständigen Ausschuss (Kreishandwerkerschaft o. Ä.) an. Das Verfahren endet ohne Ergebnis. Es kommt zum Kündigungsschutzprozess, in dem die Parteien in der mündlichen Verhandlung eine Einigung schließen. Welche Gebühren erhält R? Lösung Für die außergerichtliche Vertretung erhält R eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Da die Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig war, ist lediglich eine 1,3-Gebühr abzurechnen (Anm. Abs. 1 zu Nr. 2300 VV RVG). Für das Schlichtungsverfahren erhält R eine weitere Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 Nr. 2 VV RVG in Höhe von 1,5. Auf diese Geschäftsgebühr wird die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG nach Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV RVG hälftig, also zu 0,65, angerechnet. Im anschließenden Kündigungsschutzprozess erhält R zunächst eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Darauf ist gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1, 3 VV RVG die Geschäftsgebühr der Nr. 2303 Nr. 2 VV RVG hälftig anzurechnen, also mit 0,75 (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG). Hinzu kommt eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG. Für den Abschluss der Einigung erhält R darüber hinaus nach Nrn. 1000 Nr. 1, 1003 VV RVG eine 1,0-Einigungsgebühr. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 42 Abs. 2 GKG. Dieser Gegenstandswert nach § 42 Abs. 2 GKG gilt nicht nur für das gerichtliche Verfahren (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG), sondern nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG auch für die außergerichtliche Tätigkeit. Auszugehen ist somit von dem Vierteljahreseinkommen i. H. v. (3 x 800 EUR =) 2.400 EUR. | |
I. Außergerichtliche Vertretung | |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.400 EUR) | 288,60 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG | 58,63 EUR |
367,23 EUR | |
II. Schlichtungsverfahren | |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2303 Nr. 2 VV RVG (Wert: 2.400 EUR) | 333,00 EUR |
Anrechnung beachten | - 144,30 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG | 39,65 EUR |
248,35 EUR | |
III. Gerichtliches Verfahren | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 2.400 EUR) | 288,60 EUR |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG anzurechnen, 0,75 aus 2.400 EUR | - 166,50 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 2.400 EUR) | 266,40 EUR |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000 Nr. 1, 1003 VV RVG (Wert: 2.400 EUR) | 222,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG | 119,80 EUR |
750,30 EUR |
Gebühren für Pflichtschlichtung vor Kündigungsschutzklage
|
AUSGABE: RVGprof 2/2025, S. 34 · ID: 50255223